Die Fußball-Bundesliga befindet sich im Winterschlaf. Mit dem Weihnachtsfest stehen allerorts die besinnlichen Tage ins Haus. Diese wird auch Borussia Mönchengladbach nutzen, um das abgelaufene Jahr Revue passieren zu lassen und zu analysieren. Am linken Niederrhein kann man nach der Neuausrichtung auf dem Trainerposten vor allem auf eine mehr als ordentliche Halbserie 2019/2020 zurückzublicken. Gleichwohl gibt es noch einiges zu tun.
Borussia im Dezember 2018: Mit einer verdienten 1:2-Niederlage bei Borussia Dortmund verabschiedete sich Borussia Mönchengladbach in die Winterpause. 33 Punkte standen da auf der Habenseite, was nach der Halbserie einen starken dritten Tabellenplatz bedeutete. Die Rückserie begann zunächst mit drei Siegen in Folge, ehe man vor heimischen Publikum eine 0:3-Niederlage gegen Hertha BSC Berlin hinnehmen musste. Eine Niederlage, die irgendwie ihre Wirkung zeigen sollte. In der Folgezeit galoppierten die Fohlen eher durchwachsen durch die Liga und „retteten“ sich nach 22 Punkten in der Rückrunde unter dem Strich mit 55 Zählern noch auf den fünften Tabellenplatz.
Paukenschlag zum Saisonende
Ein, ohne Zweifel, toller Tabellenplatz für unseren Klub, der sich so wieder in Europa präsentieren durfte. Doch das fand ohne Rainer Dieter Hecking statt, der trotz laufenden Vertrags seinen Stuhl räumen musste. Am 2. April 2019 ereilte die Fußballwelt die Meldung, dass sich Borussia am Saisonende von seinem Coach trennen wolle. Nein, kein Aprilscherz, sondern ein Fakt, den Max Eberl in den weiteren Tagen in Bezug auf eine neue Ausrichtung des Klubs ausführlich erklärt hatte. »Wir wollen eine neue Ansprache und eine neue Spielidee haben«, begründete der Manager.
Die Entscheidung brachte viele Risiken mit sich: Wie geht die Mannschaft mit dieser Entscheidung um? Wie präsentieren sie sich in den letzten Spielen? Und vor allem: Wie reagiert Dieter Hecking? Kurzzeitig hatte er überlegt sein Amt vorzeitig hinzuschmeißen. Es hätte ihm wohl niemand verübeln können, denn solch eine Reaktion ist menschlich. Doch Hecking zeigte Professionalität und zog bis zum Saisonende durch, was ihm mit der Qualifikation für die Europa League auch durchaus gelungen ist.
Dennoch war es eine eher schwache Rückrunde für Borussia, die vor allem bei der 1:3-Pleite in Düsseldorf maßlos enttäuschte. Sicherlich spielen auch die vielen Verletzten eine gewisse Rolle, können aber nicht als „Ausrede“ für die teils mutlosen Auftritte genommen werden. Nach einer tollen Hinrunde verspielte man in Mönchengladbach nämlich nahezu leichtfertig eine gute Ausgangsposition und belohnte sich nicht für einen fast schon sicheren Platz in der Champions League.
Eine neue Spielidee
Im Sommer begann also eine neue Zeitrechnung am linken Niederrhein. Europas begehrter Trainer Marco Rose, der bei zahlreichen Clubs auf dem Zettel gestanden haben soll, kam von FC Red Bull Salzburg an den Borussia-Park und übernahm die Fohlenelf. Der 43-Jährige bekam den Auftrag in Mönchengladbach eine neue Spielidee auf den Weg zu bringen und der Mannschaft wieder Leben einzuhauchen. Vor allem durch aggressives Pressing soll der Ball schnell wieder in die eigenen Reihen gelangen und dann blitzschnell in Richtung Tor gespielt werden.
»Meine Spielidee basiert auf Emotionalität, auf Gier, auf Aktivität. Wir wollen sehr aktiv gegen den Ball arbeiten, viel sprinten, das sind Dinge, die es in den letzten Jahren hier so nicht gab. Wir wollen hoch Bälle gewinnen, kurze Wege zum Tor haben«, sagte Rose am Tag seiner Vorstellung. Schon in der Vorbereitung konnte man erahnen, wohin die Reise gehen soll. In den ersten Testspielen bekam man schon einen guten Eindruck von der „neuen“ Borussia. »Wir wollen aber auch guten, aktiven, dynamischen Fußball spielen, wenn wir den Ball haben. Das klingt alles richtig geil und gut – wenn es dann so kommt. Es wird alles ein bisschen Zeit brauchen.«
Womit er, das kann man am Ende der ersten Pflichtspiele festhalten, durchaus Recht hatte. Zunächst hatte auch Rose das 4-3-1-2-Sytsem angewandt, spielte dann aber ab dem 7. Spieltag überwiegend im 4-3-3. Ein System, das den Borussen deutlich besser zu Gesicht stand. Rose hat die Borussen umgekrempelt und sie in der Entwicklung nach vorne getrieben. Gleichwohl ist dieser Prozess noch lange nicht zu Ende, das hat die abgelaufene Hinserie gezeigt. Vor allem in Sachen Konstanz müssen die Borussen noch zulegen.
Aus den Startlöchern kamen die Borussen mit einem 1:0-Sieg im Pokals beim SV Sandhausen, einem torlosen Remis zum Auftakt gegen Schalke, dem bis zum 8. Spieltag 5 Siege und 2 Niederlagen folgten, mehr als ordentlich. Schwer im Magen gelegen hatte allerdings der schwache Auftritt in der Europa League, als man sich vom vermeintlichen ‚Underdog‘ Wolfsburger AC im Borussia-Park mit 0:4 „abschlachten“ ließ.
Borussia zeigt Moral
Doch nach diesem Spiel zeigte sich ein ganz neues Gesicht der Fohlen. Etwas, was man in den letzten Jahren schmerzlich vermisst hat: Moral. Zwar war die Mannschaft im Spiel gegen Düsseldorf in der ersten Halbzeit durchaus verunsichert, doch in der zweiten Halbzeit stand sie auf und offenbarte eben ihr neues Gesicht. Teilweise spielte sich Borussia wie in einen Rausch, man erinnert sich nur zu gerne an die Heimerfolge gegen Augsburg, Frankfurt, Bremen und Freiburg.
Mit dem Sieg gegen Bayern folgte allerdings die Krönung der ersten Halbserie. Dieser Sieg und der verwandelte Elfmeter von Ramy Bensebaini setzte wohl so viele Emotionen frei wie das Tor von Igor De Camargo gegen Bochum. Der Borussia-Park stand völlig Kopf und man musste diese Geschehnisse erstmal auf sich wirken lassen.
Während die Fohlen ganz munter die Bundesliga aufmischten, gab es in den Pokalwettbewerben ganz bittere Erlebnisse. Zuerst schied Borussia nach einem tollen Spiel in Dortmund doch noch unverdient aus. Am Ende fehlte vielleicht etwas die Ruhe und Cleverness, aber das sagt sich von Außen so leicht, wenn man nicht auf dem Platz steht.
Schlimmer und schmerzlicher wurde es allerdings in der Europa League: Während man sich mit der Niederlagen gegen Wolfsberg schon einige Steine in den Weg legte, räumte die Elf vom Niederrhein diese in den nächsten Spielen wieder aus dem Weg und hatte am letzten Spieltag im heimischen Stadion ein echtes Endspiel. Lange Zeit sahen die Fohlen auch wie der sichere Gruppensieger aus, der Einzug in die K.o.-Runde stand bevor. Doch irgendwie lief das Spiel doch noch aus dem Ruder und die Gäste aus Istanbul schossen noch zwei Tore, die wohl alle mitten ins Herz trafen.
Überraschend waren die kleineren Rückschläge nicht, schließlich wurden Max Eberl und Marco Rose nicht müde zu betonen, dass es sich um einen Prozess handelt. Kurzzeitig geriet dieser ins Wanken, denn auch in Wolfsburg gab es eine Niederlage in letzter Minute. Dass die Mannschaft aber dann doch noch sehr lernfähig ist, zeigte sich am letzten Spieltag der Hinrunde in Berlin. Statt auf „Teufel komm raus“ noch irgendwie den Siegtreffer zu erzielen, nahm die Mannschaft das 0:0 und den Punkt mit nach Mönchengladbach.
Eber leistet (wieder) ganze Arbeit
Unter dem Strich haben die Borussen mit 35 Punkten eine starke Hinrunde (die beste seit 1976) gespielt, in der den Protagonisten auf der Zielgeraden zwar merklich etwas die Puste ausging. Besonders Freude bereiteten László Bénes, dem die Ausleihe nach Kiel sichtlich nach vorne gebracht hatte und Denis Zakaria, der in einer Entwicklung weitere Schritte nach vorne gemacht hat. Das weckt nachvollziehbar Begehrlichkeiten am Schweizer, mit dem Max Eberl sicherlich ebenso versuchen wird, den Kontrakt zu verlängern.
Und auch die Neuverpflichtungen Stefan Lainer und Marcus Thuram entpuppten sich als starke Mosaiksteine in der Fohlenelf. Ebenso wie Yann Sommer, der zwischen den Pfosten starke Leistungen bot. Ein Lob ist auch Max Ebel auszusprechen. Der Manager hat zweifelsohne einen großen Anteil am stetig voranschreitenden Entwicklungsprozess und am derzeitgen Erfolg: So hat der pfiffige Manager die Transferfes mit eingefädelt und vor allem wichtige Bausteine „aus dem stillen Kämmerlein“ heraus längerfristig an den Klub gebunden.
Unter dem Strich rangiert die Fohlenelf in der Jahrestabelle 2019 mit 57 Punkten auf dem fünften Platz. Vor einem Jahr stand man auf selbigen Platz – mit 52 Punkten. Und sie geht als herausragender Tabellenzweiter in die Winterpause. Wer hätte das im Sommer gedacht?! Man blicke vor allem mal auf die Vereine, die hinter Borussia stehen: Bayern, Dortmund, Schalke und Leverkusen. Große Namen, die deutlich mehr finanzielle Mittel und Macht haben als das am Niederrhein der Fall ist. Auch deshalb ist der sportliche (Teil)Erfolg gar nicht groß genug einzuordnen.
Es gibt noch einiges zu tun – packen wir’s gemeinsam an!
So verabschiedet sich Borussia Mönchengladbach, genauso wie die Fans und deren Begleiter, also von einem mehr als ordentlichen Jahr, in dem insgesamt jedoch noch mehr drin gewesen wäre. Aber oftmals fehlte die Belohnung und vor allem die Konstanz. In den kommenden Tagen gilt es nun, den Akku aufzuladen, zu analysieren und sich neu aufzustellen – in der Hoffnung, dass sich das Jahr 2020 wieder positiv und erfreulich gestaltetet wie das vergangene Jahr und viele tolle Momente zu bieten hat.
Und nach dem verdienten Urlaub gilt es dann ab dem 04. Januar 2020 in der doch kurzen Vorbereitung mit voller Konzentration anzupacken und weiter hart zu arbeiten. Es warten in der Bundesliga siebzehn weitere Herausforderungen auf die Borussen, bei denen es vor allem gilt, die mit Blick auf Europa hervorragende Ausgangsposition zu festigen. Dazu muss die Fohlenelf weiter an der einen und anderen Stellschraube drehen und die Spielidee von Marco Rose weiter umsetzen, um ein erfolgreiches neues Jahr anstreben zu können. Aufgrund der starken Hinrundenplatzierung muss Europa wieder das Ziel sein.
Die Erfahrung der letzten Hinrunde sollte aber Warnung genug sein, dass eine gute Halbserie auf dem hohen Leistungsniveau in der Bundesliga nicht ausreicht. Allerdings muss man sich diesbezüglich keine allzu großen Sorgen, dass die Fohlen wieder einbrechen werden. Denn die Mannschaft ist sehr stabil und vor allem auch in der Breite wahnsinnig gut aufgestellt. Man werfe nur mal einen Blick auf die geballte Offensivpower, da können und dürfen die anderen Bundesligisten sicherlich neidisch werden.
Zudem sind auch deshalb keine allzu große Sorgen angebracht, weil Marco Rose die Dinge immer sehr realistisch und sachlich einschätzt und eben weiß, dass noch „Luft nach oben“ ist. Das hat er zusammen mit Max Eberl in den letzten Tagen oftmals betont. Ein Vorteil könnte auch sein, dass Borussia nur noch in einem Wettbewerb vertreten ist. Die Konkurrenten im Tabellenumfeld spielen alle noch in Europa, das könnte ein Vorteil für die Fohlen werden. Spannend wird aber auch die Frage sein, wie Rose seinen breiten Kader bei Laune hält. Es gibt also noch viel zu tun, aber packen wir es gemeinsam – Verein, Trainer, Mannschaft und Fans – an.
In diesem Sinne gönnt sich nun auch die Fohlen-Hautnah.de-Redaktion eine kleine Auszeit und freut sich auf ein hoffentlich in vielerlei Hinsicht erfolgreiches, neues Jahr. Wir bedanken uns bei allen Lesern für die Treue im Jahr 2019, wünschen ein gesegnetes und frohes Weihnachtsfest sowie vorab einen guten Rutsch ins neue Jahr.