Toni Polster hat sowohl für Borussia Mönchengladbach als auch für den 1. FC Köln seine Fußballschuhe geschnürt. Vor dem 88. rheinischen Derby am kommenden Sonntag spricht der 53-jährige im Gespräch mit unserer Redaktion unter anderem über seine Zeit bei Borussia, seine beiden Ex-Klubs und das kommende Aufeinandertreffen.
Fohlen-Hautnah: Toni, am kommenden Sonntag kommt es zum rheinischen Derby zwischen dem 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach. Gleich zwei Deiner Ex-Klubs treten gegeneinander an. Für wen schlägt da Dein Herz vielleicht ein bisschen mehr?
Toni Polster: Die Wahrheit ist, und das ist keine Rumeierei, dass ich beiden Vereinen sehr verbunden bin. Ich habe beide Vereine wirklich in meinem Herzen und habe es geliebt, für beide zu spielen. Das ist so. Vielleicht konnte ich Borussia auf dem Spielfeld nicht so viel geben. Dafür habe ich nach meiner aktiven Karriere versucht, mit der Planung zum Bau vom Borussia-Park, der Verteilung der Logen etc., viel zurückzugeben. Ich denke, da habe ich im Marketing einen guten Job gemacht. Beim FC war es umgekehrt. Da habe ich auf dem Spielfeld mehr bewirkt.
Fohlen-Hautnah: In einem Interview mit der ‚Welt’ hast Du zuletzt von einer »emotionalen Bindung zum FC« gesprochen. Gibt es die also auch noch zur Borussia und besteht generell noch Kontakt zum Klub?
Toni Polster: Ja, natürlich. Es ist ja schon so, dass einem die Leute, mit denen man zusammengearbeitet hat, sehr ans Herz gewachsen sind und am Herzen liegen. Ich versuche zumindest einmal im Jahr zur Borussia zu kommen und bin dort immer ein gern gesehener Gast. Ich freue mich immer, wenn ich dann Herrn Königs, Herrn Schippers, Herrn Uhle und meine ehemaligen Arbeitskollegen, mit denen ich nach meiner Karriere fast viereinhalb Jahre zusammengearbeitet habe, sehe. Ich habe ja nach meiner Karriere meinen Vertrag zweimal bei Borussia verlängert. Das zeigt, dass ich Gott sei Dank vieles richtig gemacht habe. Ich habe im Klub viele Freunde hinterlassen.
Fohlen-Hautnah: Wirst Du das Spiel verfolgen können?
Toni Polster: Natürlich schaue ich mir das live im Fernsehen an. Generell schaue ich die Bundesliga jede Woche. Das geht gar nicht mehr anders. Die Bundesliga ist für mich die beste Liga der Welt und von daher ein Muss für jeden Fußball-Trainer, sie zu verfolgen.
Fohlen-Hautnah: Die Favoritenrollen sind zumindest auf dem Papier klar verteilt… Was erwartest Du für ein Spiel?
Toni Polster: Der FC hat fast nichts mehr zu verlieren. Für Borussia geht es – und das ist das Erfreuliche in der Entwicklung – wie jedes Jahr darum, nächste Saison wieder international zu spielen. Ich denke, Borussia wird das Spiel dominieren und dem FC nicht den Gefallen tun, im Ballbesitz offen zu spielen und dem FC Türen zu öffnen, um zu kontern. Borussia wird das Spiel diktieren und mehr Ballbesitz haben und aufgrund der Qualität am Ende auch gewinnen. Aber ein Spaziergang wird das nicht, das ist sicher.
Fohlen-Hautnah: Du selbst hast einige dieser Derbys gespielt. Was ist das Besondere an diesen Spielen?
Toni Polster: Das ist natürlich auch ein Spiel, in dem es „nur“ um drei Punkte geht. Aber dennoch ist es ein besonderes Spiel, es wird die ganze Woche über gesprochen und geschrieben. Du hoffst natürlich auch immer, es zu gewinnen, um all deine Freunde richtig zu verarschen (lacht). Im Sport ist es immer wichtig, zu gewinnen. Ich habe die Derbys immer geliebt und immer super gerne gespielt, weil es einfach immer geile und tolle Spiele waren. Das Publikum ist elektrisiert. Da war immer eine tolle Stimmung, das Stadion ausverkauft. Vor diesen Fans zu spielen und auf dem Rasen zu stehen, war einfach geil. Das waren immer tolle Spiele mit Stefan Effenberg, Peter Wynhoff, Christian Hochstätter, Martin Schneider, Michael Klinkert usw. Das waren einfach geile Spiele. Dieses Derbyfeeling habe ich auch schon geliebt, als ich noch nicht bei Borussia gespielt habe.
Fohlen-Hautnah: Hast Du, sei es aus Borussia- oder Köln-Sicht, noch besondere Momente/Erlebnisse in Erinnerung?
Toni Polster: Zum Beispiel an Peter Wynhoff. Er konnte außer Form sein – wenn er gegen den FC gespielt hat, hat er uns immer Probleme bereitet. Ab und zu saß er dann auch mal auf der Bank. Und das Komische war, dass ich gewusst habe, dass wir das Spiel gewinnen, wenn das der Fall war. Auf der anderen Seite habe ich mit dem FC ein Derby 3:2 gewonnen mit einer akrobatischen Leistung von mir. Leider sind wir dann am Ende abgestiegen. Dann kann ich mich noch gut an ein Duell mit Borussia in der 2. Liga erinnern. Da bin ich reingekommen und habe quasi das Spiel gedreht. Den 1:1-Ausgleich von Marcel Ketelaer habe ich vorbereitet und den 3:1-Endstand habe ich selbst gemacht.
Fohlen-Hautnah: Unterdessen kann dem FC wohl nur noch ein Fußballwunder helfen, um die Klasse zu halten. Glaubst Du dran?
Toni Polster: Zum Einen tut es mir für den FC natürlich unheimlich leid, dass sie in dieser Situation stecken. Der FC gehört in die Bundesliga. Es wäre auch für Borussia wichtig, dass diese Derbys weiter Bestand haben. Der FC wird zurückkommen auch wenn ich glaube, dass sie es dieses Jahr nicht mehr schaffen können. Das wäre mit einem Fußballwunder gleichzusetzen. Die gibt es zwar, aber nicht so in der Häufigkeit, wie man sich das erwünschen würde. Deswegen denke ich, dass der FC eigentlich jetzt nichts mehr zu verlieren hat und nur noch ein Wunder schaffen kann.
Fohlen-Hautnah: Vor einem Jahr rangierte der FC mit 26 Punkten auf Platz 7. Wie bewertest Du die Entwicklung innerhalb dieses Jahres?
Toni Polster: Auch im Fußball muss man Entscheidungen fällen. Hinterher ist man dann immer schlauer. Man hat beim FC die Wahl gehabt, 34 Millionen Euro für Anthony Modeste zu kassieren und so den besten Torjäger zu verlieren. Auf der anderen Seite wusste man nicht, ob er nochmal so eine tolle Saison spielt. Das ist eine Gefühlssache. Da muss man sich vorher entscheiden und ist hinterher dann schlauer. Die Analysten und Experten reden dann hinterher darüber, was passiert ist. Das ist natürlich immer leichter, als die Geschicke eines Vereins zu führen und zu entscheiden, machen wir es oder machen wir es nicht. Sie haben es gemacht und haben damit den besten Torjäger, Erfolg und Punkte verkauft. Es ist leider nicht gelungen, Modeste adäquat zu ersetzen. Dazu kam dann diese unglaubliche Verletztenmisere, bei der teilweise bis zu dreizehn Spieler gleichzeitig über Wochen nicht zur Verfügung stranden. Da kam dann alles zusammen. Wenn man zusammenhält, geht man gestärkt aus so Situationen heraus. Und genau das muss der FC jetzt machen und die Weichen für die Zukunft stellen.
Fohlen-Hautnah: Und was sagst Du zur Entwicklung der Borussia, die vor einem Jahr mit 17 Punkten auf Platz 14 stand?
Toni Polster: Bei Borussia ist es immer wieder gelungen, die Mannschaft geschickt zu verstärken. Das Geld, was man verdient, wird auch sinnvoll in die Mannschaft gesteckt, um sportlich besser zu werden. Deshalb hat man sich konsolidiert und ist fast wieder zu einem regelmäßigen Vertreter im internationalen Fußball geworden. Mit Borussia muss man national und international immer rechnen. Das ist eine stetige Entwicklung, die für den Klub sehr erfreulich ist.
Fohlen-Hautnah: Ein gern gesehener Gast bist Du auch bei Borussias Traditionsmannschaft, der Weisweiler Elf. Was verbindet Dich mit der Truppe und kann man Dich da vielleicht auch mal als „Toni Doppelpack“ auf dem Platz sehen?
Toni Polster: Nein, ich spiele nicht mehr. Ich kann meinen eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden (lacht). Im Tennis kann ich einen zehn Jahre jüngeren schlagen. Aber im Fußball läuft er mir davon. Da ist es dann gescheiter, beim Tennis zu bleiben.