Jens Wissing war Co-Trainer bei Borussias U23. Foto: Heiko van der Velden / amafuma.de
Gerade einmal 26 Jahre jung war Jens Wissing, als er aufgrund einer Verletzung seine Fußballschuhe an den Nagel hängen musste. In seiner Zeit als Profi brachte es der Linksverteidiger auf lediglich drei Einsätze für Borussia Mönchengladbach. Nach seiner Laufbahn gründete Wissing ein Startup und forcierte seine Trainerlaufbahn. Dabei fungierte Wissing bis zum letzten Sommer als Co-Trainer bei der U23 der Fohlen und ist aktuell Co-Trainer bei der PSV Eindhoven. Im Interview mit unserer Redaktion spricht der 34-Jährige unter anderem über seine Zeit bei der Borussia, Roland Virkus, seine Tätigkeit in Eindhoven und die Zukunft.
Fohlen-Hautnah: Jens, am 02. Januar 2022 bist du 34 Jahre alt geworden. Der eine und andere Fußballer schaut dann auf mitunter auf 15 Jahre als Profi und womöglich Erfolge zurück. Dir ist das aufgrund einer schweren Verletzung verwehrt geblieben, Du hast deine Karriere mit nur 26 Jahren und ohne Einsatz beim MSV Duisburg beenden müssen. Trauerst Du irgendetwas nach oder wie schaust Du auf deine Zeit als Fußballer zurück, wurdest Du etwas anders machen?
Jens Wissing: Die Zeit als Fußballprofi war super spannend und größtenteils auch eine sehr schöne mit sehr vielen tollen Erfahrungen und Momenten. Aber das Ende liegt mittlerweile auch lange zurück und mein beruflicher Werdegang hat sich auch danach super entwickelt. Ich bin nicht der Typ, der lange zurückschaut.
Fohlen-Hautnah: Man kann sagen, dass die Zeit bei Preußen Münster die erfolgreichste war. Wie schaust Du dennoch auf deine Zeit bei der Borussia zurück und was war der Klub für Dich für eine Station?
Jens Wissing: Das Jahr bei der Borussia ist mir natürlich immer noch in bester Erinnerung mit vielen Höhen und Tiefen. Wechsel von der Regionalliga in die Bundesliga, 1. Bundesligaspiel, Verletzungen und der Nichtabstieg in letzter Sekunde. Ich habe viele tolle Menschen kennengelernt und den Verein auch sehr schätzen gelernt.
Fohlen-Hautnah: Hast Du denn noch Kontakt zu ehemaligen Teamkollegen bei Borussia und schaust du noch auf das, was im Klub passiert?
Jens Wissing: Nein Kontakt besteht heute nicht mehr. Natürlich verfolge ich noch das Geschehen rund um Borussia, zumal ich ja auch vor acht Monaten selbst noch dort als Trainer gearbeitet habe.
Fohlen-Hautnah: Wie ordnest Du denn die derzeitige Lage der Mannschaft ein?
Jens Wissing: Natürlich ist die jüngere sportliche Entwicklung alles andere als positiv und die Themen rund um die Mannschaft machen den Turnaround sicher nicht einfacher. Aber die Mannschaft hat soviel Qualität und der Verein eine enorme Substanz und Leute mit Kompetenz, dass ich davon überzeugt bin, dass sich auch in der laufenden Saison die Situation wieder ins Positive drehen lässt.
Fohlen-Hautnah: Roland Virkus ist neuer Sportdirektor der Borussia und Nachfolger von Max Eberl. Du kennst ihn auch sehr gut. Was ist Roland Virkus für ein Mensch und warum findest Du, dass das eine gute und richtige Wahl ist?
Jens Wissing: Roland ist sehr ehrgeizig, gradlinig und kennt sich bestens im Fussball aus. Genau das, was du für die Arbeit als Direktor Nachwuchsleistungszentrum brauchst. Ich hatte in den zwei Jahren immer einen sehr offenen und guten Austausch mit ihm und er hat mich sehr gefördert. Dafür bin ich ihm auch sehr dankbar. Dass er nun zum Sportdirektor berufen wurde, kann ich absolut nachvollziehen und ich denke, dass er eine gute Wahl ist. Er wird auch in dieser Position alles investieren und einen guten Job machen.
Fohlen-Hautnah: Unterdessen hast Du bereits während deiner Zeit als Fußballer vorgesorgt, die Ausbildung zum Sportfachwirt abgeschlossen. Du hast es am eigenen Leibe erfahren und kannst dementsprechend nur jedem raten, für die Zeit nach dem Fußball vorzusorgen. Zudem war Dir als früh klar, dass du dem Sport auch nach einer aktiven Karriere in irgendeiner Form erhalten bleiben möchtest…
Jens Wissing: Das ist richtig, wenn ich auch erst ein wenig Zeit gebraucht habe nach dem Karriereende, um Entscheidungen für die weitere Zukunft zu treffen. Vieles was sich im Lauf der Zeit dann entwickelt hat, war so auch nicht geplant.
Fohlen-Hautnah: Du hast, wenn ich richtig informiert bin, die A-Lizenz. Wie sieht es in Bezug auf den Fußball-Lehrer aus?
Jens Wissing: Genau. Ohne eine konkreten Plan einer Karriere als Trainer nachzugehen, war mir relativ früh klar, dass ich die Trainerscheine und erste Erfahrungen auf Amateurebene machen möchte. Nun nach all den Jahren als Trainer und der jüngsten beruflichen Entwicklung, ist es auf jeden Fall mein Ziel, in den kommenden Jahren den Fußballlehrer anzugehen.
Fohlen-Hautnah: Du hast 2015 das Startup-Unternehmen FiveHomeFitness GmbH in Münster gegründet. Wie kam es dazu, was macht ihr da genau und wie läuft dieses Geschäft?
Jens Wissing: Die Gründung von FiveHomeFitness nimmt ein großen Teil meiner Geschichte ein. Ich wollte nach der Zeit im professionellen Fußball zunächst mal raus und was völlig anderes machen. Zusammen mit einem Freund kam dann die Idee, eine Art hochprofessionelles Performance Coaching für Privatleute und Firmen in Münster anzubieten. Wir haben dann all unsere Erfahrungen und Kompetenzen in die Mitte gelegt und aus dieser Idee hat sich heute ein tolles Studio im Zentrum von Münster entwickelt, das es nach wie vor gibt und auch sehr gut läuft. Ganz vereinfacht dargestellt, kommen Personen zu uns, die die Wichtigkeit von Leistungsoptimierung durch gezielte Verbesserung von Bewegung und Ernährungsgewohnheiten verstanden haben und dafür bereit sind, einen höheren Preis zu zahlen, als das bei einer Mitgliedschaft im Fitnessstudio der Fall ist.
Fohlen-Hautnah: Hast du für dieses Startup spezielle Voraussetzungen erfüllen müssen?
Jens Wissing: Nein. Aber meine Ausbildung als Sportfachwirt und die Erfahrungen als Profifußballer waren schon sehr hilfreich.
Fohlen-Hautnah: Bei diesem Startup geht es also auch um Fitness. Dem Fußball bist Du aber treu geblieben und hast die Trainerlaufbahn eingeschlagen. Zunächst als Co-Trainer beim 1. FC Gievenbeck. Von da aus ging es im Sommer 2019 zur U23 von Borussia. Du hast unter Arie van Lent und Heiko Vogel gearbeitet. Wie kam dieses Engagement generell zustande, hast Du von den beiden und aus dieser Zeit mitgenommen beziehungsweise was hast Du den jungen Spielern aus deiner Erfassung heraus mit auf den Weg geben können?
Jens Wissing: Der erneute Kontakt zur Borussia ist rein zufällig entstanden und es war gar nicht meine Absicht, im Sommer 2019 Münster zu verlassen und nach Gladbach zu gehen. Aber diese Chance, im Nachwuchsleistungszentrum bei so einem großen Klub zu arbeiten und dann auch noch zur Borussia zurückkehren, war einmalig. Für diese Möglichkeit bin ich Roland Virkus und auch Arie van Lent, der am Ende sein finales Go geben musste, sehr dankbar. Natürlich konnte ich von ihm als langjährigen Profi und Trainer der U23 und danach auch von Heiko Vogel mit all seinen Erfahrungen enorm viel mitnehmen. Die zwei Jahre als Trainer bei Borussia waren in meiner Entwicklung unglaublich wertvoll. Auch die Arbeit dort hat mir super viel Spaß gemacht, auch weil es mir aufgrund meines Alters immer noch zugute kommt, mich gut in die Jungs hineinversetzen zu können.
Fohlen-Hautnah: Als Spieler hat man mitunter Vorbilder, von denen man sich etwas abschaut? Wie ist das bei dir als Trainer – auf wen schaust Du?
Jens Wissing: Ich schaue nicht auf einen bestimmten Typen. In erster Linie nehme ich natürlich von den jeweiligen Cheftrainern sehr viel mit, so auch gerade von Roger Schmidt, der seit Jahren auf absolutem Top-Niveau erfolgreich als Trainer arbeitet.
Fohlen-Hautnah: Welchen Fußball und welches System würde denn der Fußballlehrer und Trainer Jens Wissing bevorzugen?
Jens Wissing: Ich kann mich mit unserer Art Fußball, die wir bei der PSV Eindhoven spielen, schon sehr gut identifizieren. Wir agieren mit hoher Intensität, wir wollen als Mannschaft immer aktiv sein, schnell umschalten, im Ballbesitz mutig und schnell nach vorne spielen und Chancen kreieren. Das System ist dann nicht ausschlaggebend, auch wenn ich schon klar das Spiel mit einer Viererkette bevorzuge.
Fohlen-Hautnah: Apropos Trainer. Siehst Du dich eher als Fußballlehrer einer Mannschaft oder kannst du dir auch eine Aufgabe als Athletiktrainer vorstellen und hast Du in diesem Bereich auch eine Ausbildung?
Jens Wissing: Ich habe durch die Zeit als Profi und insbesondere durch meine berufliche Ausrichtung viele Einblicke in den Bereich des Athletik- und Performance-Trainings bekommen. Meine Zukunft sehe ich aber eindeutig als Fußballlehrer.
Fohlen-Hautnah: Nach zwei Jahren bei der Borussia ging es dann im Sommer 2021 zur PSV Eindhoven. Nicht zuletzt Roger Schmidt, den Du aus deiner Zeit in Münster gut kennst, dürfte der ausschlaggebende Punkt gewesen sein. Wie schaust Du bisher auf die Zeit bei der PSV zurück und was vor allem anders im Gegensatz zur Tätigkeit bei der Borussia?
Jens Wissing: Die Aufgaben sind natürlich schwer zu vergleichen. Bei Borussia war es die Aufgabe im NLZ. Das heißt, der Schwerpunkt liegt da auf der Entwicklung der Spieler, sie auf dem Weg zum Profi bestmöglich zu begleiten und zu coachen. Resultate sind da eher zweitrangig. Nun mit der Aufgabe bei der PSV Eindhoven besteht ein ganz anderer Druck. Du musst erfolgreich sein, jedes Wochenende Spiele gewinnen und am besten noch in allen Wettbewerben bis zum Ende der Saison ganz oben dabei sein. Aber genau das ist es, was ich an diesem Sport so liebe. Immer wieder als Mannschaft die nächste Aufgabe angehen und alles versuchen, so erfolgreich wie möglich zu sein. Die Erfahrungen der letzten Monate waren für mich enorm, weil der Sprung natürlich auch ein sehr großer gewesen ist. Assistenztrainer von Roger Schmidt bei PSV Eindhoven zu werden, war nach zwei Jahre Co-Trainer -Tätigkeit der U23 von Borussia nicht zwingend der nächste logische Schritt. Aber ich bin dem total gewachsen, lerne jeden Tag auf allerhöchstem Niveau dazu und bin sehr glücklich, dass ich diesen Schritt machen konnte.
Fohlen-Hautnah: Wie war denn die Aufteilung unter Roger Schmidt beziehungsweise was waren deine Aufgaben unter ihm und was hast Du von ihm mitnehmen können? Ich denke, die Wertschätzung zwischen euch beiden ist groß.
Jens Wissing: Wir kennen uns mittlerweile sehr lange und haben großes Vertrauen zueinander, dass erleichtert die tägliche Arbeit natürlich erheblich. Im Endeffekt ist mein Aufgabenbereich auch sehr umfangreich, weil ich mich in allen Bereichen einbringen kann. Von der Trainingsplanung und Trainingsarbeit auf dem Platz bis hin zur Spielanalyse und Gegnervorbereitung gibt es viele Schwerpunkte. Roger lässt mich sehr viel machen, aber natürlich trifft er am Ende alle finalen Entscheidungen.
Fohlen-Hautnah: Was unterscheidet den niederländischen vom deutschen Fußball und wie groß ist die Umstellung, wenn man gestandene Weltmeister wie Mario Götze anstatt Talente einer U23 trainiert?
Jens Wissing: Ich weiss gar nicht, ob es da so große Unterschiede gibt. In unserer Liga müssen wir schon des öfteren gegen sehr tiefstehende Gegner agieren, was das Herausspielen von Torchancen zum Teil sehr anspruchsvoll macht. Die Umstellung in der täglichen Arbeit ist gar nicht so groß. Wir haben ein tolle Mannschaft, gute Charaktere und viele junge, hochtalentierte Spieler, die genauso Input verlangen und geführt werden müssen, wie das bei einer U23 der Fall ist. Natürlich ist die fußballerische Qualität nochmal eine andere.
Fohlen-Hautnah: Im Sommer wird Roger Schmidt bekanntlich weiterziehen. Ein Klub steht noch nicht fest. Wie siehst das bei Jens Wissing aus – geht er mit Roger Schmidt zum nächsten Klub? Wie sieht da deine Planung aus?
Jens Wissing: Erst einmal haben wir noch einiges vor in dieser Saison und dann schauen wir mal, was passiert. Es spricht aber schon einiges dafür, dass es ab Sommer dann auch an der Seite von der Roger Schmidt weitergeht.
Fohlen-Hautnah: Was hast du dir für die Zukunft vorgenommen und was möchtest du im Fußball noch erreichen? Wird es den Cheftrainer Jens Wissing geben?
Jens Wissing: Auch da gibt es keine konkreten Pläne. So habe ich das in der Vergangenheit immer gehandhabt. Vor knapp drei Jahren habe ich den Schritt in den professionellen Bereich als Trainer gemacht und habe jetzt die Möglichkeit, mit der PSV Eindhoven um Titel zu spielen. Ich versuche mich mit der jeweiligen Aufgabe zu 100 Prozent zu identifizieren und das Bestmögliche zu erreichen. Alles weitere wird sich dann zeigen.