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Kasey Keller: »Borussia muss es schaffen, mit Dortmund und Leipzig auf Augenhöhe zu sein«

Kasey Keller spielte 2 Jahre für die Borussia. Foto: picture-alliance/ dpa | Franz-Peter Tschauner

Von 2005 bis 2007 spielte Kasey Keller bei Borussia Mönchengladbach. In 80 Pflichtspielen stand Borussias damalige Nummer eins zwischen den Pfosten, war Kapitän und avancierte auch zum Publikumsliebling. Im Interview mit unserer Redaktion spricht der heutige 52-Jährige unter anderem über seine Zeit am linken Niederrhein, Yann Sommer, Uwe Kamps, die Entwicklung des Klubs und Landsmann Joe Scally.

Fohlen-Hautnah: Kasey, zunächst einmal vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für uns nimmst. Was hast Du gedacht, als die Anfrage von einem Fanmagazin gekommen ist, das über Borussia Mönchengladbach berichtet?

Kasey Keller: Zuerst habe ich mir gesagt‚ dass die letzten Wochen echt hart waren für Gladbach. Es macht aber immer Spaß, über Borussia zu reden. Besonders, weil der Verein in den letzten Jahren echt tolle Erfolge eingefahren hat. Dennoch ist es schade zu sehen, dass es aktuell nicht so läuft. 

Fohlen-Hautnah: Du hast zwei Jahre das Trikot von Borussia getragen. Wie schaust Du auf die Zeit bei Borussia zurück?

Kasey Keller: Ich habe jede Minute bei Borussia und in Deutschland geliebt. Nachdem ich die Möglichkeit bekommen habe, dort zu spielen, habe ich sie auch gerne wahrgenommen. Ich bin im Januar zum Klub gekommen. Die Situation war nicht ganz so einfach. Es ist schade, dass ich nicht früher in meiner Karriere in Deutschland spielen konnte, die Zeit hat mir großen Spaß gemacht. 

Fohlen-Hautnah: In Europa hast Du in Spanien, England und auch Deutschland gespielt. Bei welcher Station hat es dir am besten gefallen und wo gibt es die beste Fankultur?

Kasey Keller: Ich habe lange Zeit in England gespielt. Dort gibt es natürlich eine unterschiedliche Fankultur. Die Fußballkultur dort ist sehr besonders und speziell. Allerdings ist es dort nicht so wichtig, im Stadion zu sein. Viele Fans schauen sich die Spiele gemeinsam im Pub an, der Stadionbesuch selber ist nicht so wichtig. Als ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich den großen Unterschied festgestellt: Hier gehen die Fans viel bewusster ins Stadion. Außerdem war die Grundstimmung auch nicht so aggressiv wie es in England teilweise der Fall war. Bei meiner Station in Millwall habe ich das kennengelernt. In Deutschland spielt es keine große Rolle, ob man als Auswärtsfan das Trikot seiner Mannschaft trägt, dafür wird man nicht verurteilt. In England ist das aber unvorstellbar, beispielsweise wenn Millwall gegen West Ham spielt. Dort sind die Dinge öfters aus dem Ruder gelaufen.

Fohlen-Hautnah: Von den Borussia-Fans wurdest Du respektvoll „The Wall“ genannt. Was bedeutet Dir das und kannst Du Dich damit identifizieren?

Kasey Keller: Während meiner Karriere gab es des Öfteren mal Phasen, wo die Gegner nicht an mir vorbei gekommen sind. Es ist aber nicht selbstverständlich, dass man jeden Schuss hält. Dafür gibt es einfach zu viele, gute Stürmer. Ich konnte dem Team aber einige Male dazu verhelfen, die Punkte durch meine Paraden einzufahren. Daher rührt auch der Spitzname, weil ich manche Stürmer sicherlich zur Verzweiflung bringen konnte. Ich bin sehr stolz darauf, dass mich die Fans „The Wall“ genannt haben. 

Fohlen-Hautnah: Du hast Dich und Dein Torwartspiel mal als „Shotstopper“ bezeichnet. Was hat es damit auf sich und inwiefern hat sich das Torwartspiel heute verändert?

Kasey Keller: So habe ich mich selbst als Torwart wahrgenommen. In meiner Generation war das Torwartspiel noch komplett anders, dort kam es eher auf gute Paraden an. Heutzutage wachsen die Torhüter aber komplett anders auf, denn sie müssen schon mit dem Fuß sehr stark sein. Marc-André ter Stegen oder Manuel Neuer sind gute Beispiele, denn sie sind mitspielende Torhüter. Zu meiner Zeit war das noch nicht vorstellbar, das war noch kein Teil des Spiels. 

Fohlen-Hautnah: In Joe Scally sorgt ein Landmann von Dir derzeit in der Bundesliga und bei Borussia für Furore. Hat Dich sein Weg überrascht, was sagst Du zu ihm und was traust Du ihm in der Zukunft noch zu?

Kasey Keller: Ich freue mich sehr, dass Joe Scally aktuell so erfolgreich spielt. Er hat noch eine große Karriere vor sich, da bin ich mir sicher. In Amerika gibt es viele junge Spieler, die aber auch sehr schnell ‚verheizt‘ werden. Aber die Entwicklung bei Joe stimmt und ich hoffe, dass er nun auch in der Nationalmannschaft mehr Chancen beziehungsweise Einsätze bekommt. Dass in einer Karriere nicht immer alles glatt läuft, ist auch selbstverständlich. Es gibt immer mal Phasen, in denen ein Mitspieler besser sein kann oder man das Vertrauen des Trainers nicht spürt. Wichtig ist aber, dass man aus solchen Phasen lernt und stärker zurückkommt. Als ich von dem Deal zwischen Joe und Borussia erfahren habe, habe ich mich sehr für ihn gefreut und war glücklich. Jetzt muss er sich aber beweisen und stetig weiterentwickeln, er darf sich nicht auf seinen Leistungen ausruhen. Jetzt hat er sich etwas an die Bundesliga gewöhnt und er muss seine Leistungen bestätigen. 

Fohlen-Hautnah: Denkst Du, Borussia ist ein guter Klub für Joe, damit er sich weiterentwickeln kann? 

Kasey Keller: Definitiv. In den letzten Jahren hat Borussia deutlich gezeigt, dass sie in der Lage sind, in der Champions League oder Europa League zu spielen. Dabei haben sie nicht die Rahmenbedingungen, die zum Beispiel englische Klubs haben. Deshalb ist es umso beeindruckender, was der Klub bisher erreicht hat. Für einen jungen Spieler ist das ein gutes Umfeld. Es ist toll, dass Joe bereits in solch einem jungen Alter diese Chance bekommen hat. Allerdings musste er sich diese Chance auch erarbeiten, denn man bekommt nichts geschenkt, auch bei Borussia nicht. Das hat er getan. Er hat sich durch gute Leistungen in der U23 für die Profis empfohlen und zahlt dieses Vertrauen nun zurück. 

Fohlen-Hautnah: Seit Deinem Weggang ist bei Borussia einiges passiert. Was sagst Du zu der Entwicklung des Klubs?

Kasey Keller: Ich bin sehr glücklich, in welche Richtung sich Borussia entwickelt hat. Allerdings hat mich die letzte Saison etwas überrascht: Nachdem klar war, dass Marco Rose Borussia verlässt, haben sie dennoch an ihm festgehalten und ihn nicht vor die Türe gesetzt. Man hätte genauso gut einen Interimstrainer nehmen können. Aber das zeigt, dass man im Verein eben in Ruhe arbeitet und sich nicht von Außen beeinflussen lässt. Ich hoffe, dass die Rückrunde deutlich besser verläuft als die Hinrunde und es Borussia in der Winterpause gelingt, an den richtigen Stellschrauben zu drehen. Was mich allerdings am meisten beeindruckt ist die Tatsache, dass Borussia ohne Investor auskommt und auf eigenen Füßen steht. Der nächste Schritt muss aber sein, Dortmund und Bayern dauerhaft angreifen zu können, das würde ich mir von Borussia wünschen. 

Fohlen-Hautnah: Max Eberl ist nun schon seit 2008 Sportdirektor bei den Fohlen. Wie bewertest Du seine Arbeit? 

Kasey Keller: Max macht bei Borussia einen großartigen Job. Nun ist er aber in einer schwierigen Phase. Es ist immer einfacher an die Spitze zu kommen, als dort zu bleiben. Er hat es geschafft, Gladbach von einem Mittelfeld-Team zu einem ernsthaften Anwärter für Europa zu machen. Nun müssen Max und Borussia es schaffen, das nachhaltig fortzuführen, denn sie können um die Champions League spielen. Borussia darf sich nicht auf den bisherigen Erfolgen ausruhen, denn dadurch ist auch eine neue Erwartungshaltung entstanden. Die Frage wird sein, wie schnell kann man sich von dieser kleinen Krise erholen und wie gestärkt kommt man da wieder raus. Man darf sich aber auch nicht von ein paar schlechten Ergebnissen aus der Ruhe bringen lassen. 

Fohlen-Hautnah: Ein viel diskutiertes Thema ist die Zukunft von Denis Zakaria und Matthias Ginter. Was denkst Du darüber? 

Kasey Keller: Borussia muss es schaffen an den Punkt zu kommen, dass man Spieler beispielsweise nicht mehr nach Dortmund oder andere Mitkonkurrenten abgibt. In Deutschland gibt es meiner Meinung nach nur einen Klub, zu dem man wechseln sollte, um dauerhaft Titel zu gewinnen, das ist nunmal der FC Bayern München. Borussia muss es schaffen, mit Dortmund und Leipzig auf Augenhöhe zu sein, dann wird man dahin auch keine Spieler mehr abgeben müssen. Wenn sie dauerhaft um die Champions League spielen können, wird man auch nicht immer wieder Spieler abgeben müssen. Das muss auf Dauer das Ziel sein, denn die Rahmenbedingungen sind gegeben, aber nun muss der nächste Schritt erfolgen. 

Fohlen-Hautnah: Hast Du noch Kontakt zum Klub und/oder ehemaligen Mitspielern?

Kasey Keller: Nach meinem Umzug nach Amerika war es schwierig, zu den Mitspielern Kontakt zu halten, alleine schon wegen der unterschiedlichen Zeitzonen. Die Corona-Krise hat die Rahmenbedingungen auch nicht unbedingt erleichtert, aber ich möchte unbedingt wieder mehr Kontakt zu den alten Teamkollegen pflegen und auch mal wieder in den Borussia-Park kommen.

Fohlen-Hautnah: Als Du nach Mönchengladbach gekommen bist, bist Du mit Deiner Familie nach Tönisvorst in eine alte Ritterburg gezogen. Habt ihr euch damit einen Traum erfüllt und wie war es, dort zu leben?

Kasey Keller: Als wir in Europa gelebt haben, gab es viele Sehenswürdigkeiten, die wir uns angesehen haben. Dass wir in dieses alte Schloss gezogen sind, war sicherlich nicht geplant. Aber als sich uns die Möglichkeit geboten hat, mussten wir nicht lange überlegen. Das war damals auch ein ganz großes Thema, denn im Rahmen der WM 2006 in Deutschland hat uns auch mal ein Fernsehteam besucht. Auch heute, wenn mich die Leute kennenlernen, ist das immer noch ein gutes Gesprächsthema. Wir haben die Zeit im Schloss sehr genossen. 

Fohlen-Hautnah: Du hast Dir ziemlich oft mit Borussias Maskottchen „Jünter“ Ringkämpfe geliefert und meistens gewonnen. Wie kam es dazu?

Kasey Keller: Das hat immer großen Spaß gemacht (lacht). Die Story dahinter kennen aber nur wenige: Als ich mit Eugen Polanski mal nach einem Spiel vom Platz gegangen bin, habe ich zu ihm gesagt, dass ich Jünter mal attackieren werde. Eugen hat direkt gesagt, dass ich das nicht machen sollte, aber ich wollte es unbedingt tun. Als ich Jünter auf meinen Schultern hatte, bin ich direkt zu den Fans gerannt und von da an nahmen die Dinge ihren Lauf. Das gehört für mich aber auch dazu, denn nach getaner Arbeit sollte man auch mal Spaß haben. Nach dem Spiel kann man auch mal feiern und solche Späße machen. Natürlich möchte man das dann auch mit den Fans feiern, die einen vorher 90 Minuten lang angefeuert haben. 

Fohlen-Hautnah: Die Borussia-Fans haben Dich geliebt und machen es heutzutage immer noch. Wie hast Du die Fans wahrgenommen? 

Kasey Keller: Borussia hat fantastische Fans. Ich habe sie von der ersten Sekunde an ins Herz geschlossen. Die ganzen Fanclubs über das Land verteilt sind schon sehr einzigartig, das kannte ich vorher nicht. Nach dem Spiel sind die Zuschauer auch gar nicht aus der VIP-Loge gegangen und haben nach dem Spiel noch zusammen gesessen, das war toll. Was ich allerdings auch noch an Deutschland vermisse, ist die Autobahn (lacht). Das ist etwas, was in Amerika nicht möglich ist und frustriert mich jeden Tag aufs neue. 

Fohlen-Hautnah: 2007, im letzten Heimspiel von Borussia gegen Bochum, warst Du verletzt und wurdest vom Stadionsprecher verabschiedet. Deine Worte waren „Cologne, Cologne“, und die Kurve rief entsprechendes zurück. War die Aktion spontan und war Dir die Bedeutung des Derby und der Rivalität bewusst?

Kasey Keller: Natürlich erinnere ich mich noch an diese Aktion. Ich habe auch vom DFB eine Strafe bekommen, nachdem ich das Lied mal nach einem Sieg gegen Köln angestimmt habe. Ich denke, man hat mir dort einfach das falsche Mikrofon gegeben (lacht). Ich habe schon viele Derbys erlebt, vor allem in meiner Zeit in England. Derbys sind etwas ganz besonderes. Ich wusste immer, was sie für einen Stellenwert für die Fans haben. Wenn ich jetzt nochmal nach Gladbach kommen würde, dann würde ich den Song nochmal gerne mit den Fans anstimmen. 

Fohlen-Hautnah: Mittlerweile arbeitest Du immer noch bei den Seattle Sounders und Du bist auch als TV-Kommentator tätig. Wie gefallen Dir diese beiden Jobs und was genau ist Deine Aufgabe in Seattle?

Kasey Keller: Es ist der gleiche Job, es sind allerdings zwei unterschiedliche Arbeitgeber: Ich arbeite für die Seattle Sounders und für ESPN, für beide kommentiere ich Fußballspiele. Jeder Verein in den USA hat seinen eigenen, lokalen Broadcaster. Die Spiele werden dann lokal ausgestrahlt, darüber hinaus hat ESPN aber noch die nationalen Rechte. Durch die Pandemie arbeite ich auch viel öfters im Studio, deshalb kann ich an einem Wochenende mittlerweile auch mehrere Spiele kommentieren. Ansonsten bin ich immer zu den Spielen ins Stadion gereist, das war natürlich noch etwas anstrengender und ich konnte nicht allzu viele Spiele kommentieren. 

Fohlen-Hautnah: Warum hast Du dich denn gegen eine Karriere im Fußball entschieden? Du hättest genauso gut Torwarttrainer werden können… 

Kasey Keller: Nachdem ich die Karriere beendet habe, musste ich mich natürlich entscheiden. Letztlich ist die Wahl auf den TV-Bereich gefallen, das war für mich eine gute Option. Außerdem ist der Job auch nicht so arbeitsintensiv wie der eines Torwarttrainers, dort ist man immer noch täglich in den Verein involviert. Durch meinen Job als TV-Kommentator bin ich etwas flexibler geworden. Auch das Familienleben kann dadurch etwas besser in Einklang gebracht werden. 

Fohlen-Hautnah: Yann Sommer ist aktuell in einer herausragenden Form und in der letzten Zeit mit Abstand der beste Borusse gewesen. Wie bewertest Du seine Leistungen aus der Ferne? 

Kasey Keller: Yann hat sich über die letzten Jahre in der Bundesliga als einer der besten Torhüter etabliert und einen sehr guten Job gemacht. Borussia hat aber immer schon gute Torhüter hervorgebracht, das liegt aber auch an einem guten Job von Uwe Kamps. Für mich ist er einer der besten Torwarttrainer der Welt, denn er ist für den Erfolg der Torhüter mitverantwortlich. Das Training mit Uwe war sehr fordernd und intensiv. Er hat es geschafft, mich auf ein neues Level zu bringen. Uwe ging es immer darum, was das beste für einen Torwart ist und nicht für jemanden anderen, das zeichnet ihn aus. Er hat sich auf die Bedürfnisse und Stärken der einzelnen Torhüter eingestellt und wollte ihn zu einen besseren Spieler machen. Das hat er auch mit Yann Sommer gemacht. Zu Uwe hatte ich eine sehr gute Beziehung. Ich habe das tägliche Training genoßen und mich immer darauf gefreut, mit ihm zu arbeiten. 

Fohlen-Hautnah: Abschließend. Wie stolz warst Du, Kapitän von Borussia zu sein und was traust Du der Mannschaft in der aktuellen Saison noch zu? 

Kasey Keller: Ich bin sehr stolz darauf, Kapitän bei Borussia gewesen zu sein. Und wie ich schon gesagt habe, kann Borussia gut aus der Winterpause kommen und dann eine gute Saison spielen, wenn sie an ein paar Kleinigkeiten arbeiten.

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