Marcell Jansen hat den Übergang vom Fußballer zum Geschäftsmann gemeistert. Seit Jahren investiert er seine Energie in junge Unternehmen, nun hat er mit „Picue“ seine ganz eigene Idee verwirklicht. Wir haben im ersten Teil des Interviews mit unserer Redaktion mit dem 32-jährigen über den Launch der App gesprochen und darüber, wie früh er sich bereits während seiner aktiven Zeit als Profifußballer mit dem, was danach kommt, beschäftigt hat.
Fohlen-Hautnah: Marcell, in diesen Tagen hast Du mit „Picue“ eine App auf den Markt gebracht, die zugleich das erste „Group-Story-Network“ der Welt ist. Wie ist diese Idee entstanden?
Marcell Jansen: Zu meiner aktiven Zeit fing es an, dass das Thema Social Media damals schon immer stärker wurde. Und ich habe mich dann immer gefragt: Ich bin jetzt hier mit meiner Mannschaft, ich bin hier mit meinen Jungs, den Betreuern und sollte aber immer nur über mich berichten. Dabei hab ich einen Mannschaftssport gewählt, weil ich ein Teamplayer bin und es cool finde, in einer Gruppe zu sein. Deshalb habe ich gedacht: So richtig reizen würde mich eher das „Wir“ und nicht das „Ich“, wenn es um Social Media geht. Dann habe ich überlegt, dass es das so noch gar nicht gibt. Man kann als Fan keiner ganzen Mannschaft oder Gruppe folgen, um die ganze Zeit die neuesten Momente von den Sportlern direkt an einem Ort zu bekommen. Die Chance, ein „Group-Story-Network“ großzumachen, hat mich fasziniert, weil ich denke, dass wir für unsere Momente leben und jeder ist in irgendeiner Gruppe – ob es im Verein ist, auf der Arbeit oder einfach nur zusammen mit den Freunden.
Fohlen-Hautnah: Das heißt, dass es nicht zwingend öffentlicher Content sein muss, sondern ich auch eine private Gruppe, beispielsweise für eine Tanzgruppe, den Kegelclub oder meine Band gründen kann?
Marcell Jansen: Absolut. Wir unterliegen auch dem europäischen Datenschutz. Was privat ist, bleibt privat. Jeder, der in die Gruppe eingeladen wurde, kann auf die Gruppe zugreifen und man kann alles auch immer wieder anschauen oder kommentieren. Bei privaten Gruppen weiß man, dass es immer das ist, was man zusammen erlebt oder man erfährt eben, was der andere gerade macht.
Fohlen-Hautnah: Wie lange hat die Entwicklungszeit von „Picue“ gedauert?
Marcell Jansen: In der Schlussphase meiner Karriere bin ich mit einem Prototypen rumgezogen, dann kamen die richtigen IT-ler hinzu, die die App in den letzten zweieinhalb Jahren entwickelt haben. Ich habe lange drüber nachgedacht und es ist immer mehr gereift und dann habe ich so einen Drang gespürt und gedacht: Wenn es diese Chance gibt, dass man die Aktivitäten und Posts der Menschen, die gerne in Gruppen sind, an einem Ort bündelt, dann will ich das machen.
Fohlen-Hautnah: Fällt es einem nicht schwer, dass man immer wieder auf das Karriereende angesprochen wird und man den eigentlichen Grund verschweigen muss?
Marcell Jansen: Es ist ein weiter Weg gewesen und jetzt darf ich endlich drüber reden. Es war schon eine komische Situation für mich. Das eigentliche Hauptding, und das ist kein schlechter Marketing-Gag, ist die Tatsache, dass ich wegen „Picue“ den Entschluss gefasst habe, dass ich meine Karriere beende. Ich musste und wollte mich da voll reinhauen, sodass wir irgendwann auf den Markt kommen können. Ich durfte und konnte natürlich die ganze Zeit nicht wirklich drüber sprechen, weil das ohne ein funktionierendes Produkt nicht geht. Das brauchte diese Zeit und da musste ich versuchen, meine Klappe zu halten (lacht).
Fohlen-Hautnah: Wer sich mit Dir und Deiner Person beschäftigt, bemerkt schnell, dass Du Dir schon sehr früh Gedanken gemacht hast, was nach der Karriere auf Dich zukommt. Mittlerweile hast Du auch eine Beteiligungs GmbH gegründet, um junge Start-Ups und Unternehmen nicht nur finanziell, sondern vor allem mit Deinem Netzwerk und Deinen Visionen zu unterstützen. Wann genau hast Du denn begonnen, mal über den Tellerrand des Profifußballs hinauszuschauen?
Marcell Jansen: Bei mir hat das irgendwann mit 21 im Kopf angefangen zu brodeln. Als Bundesligaspieler triffst du viele Unternehmer, mit denen man sich austauschen kann. Ich war selbst immer so kreativ, dass ich den Drang hatte, neben dem Fußball noch was anderes zu machen. Ich habe überlegt, was passiert, wenn ich mich schwer verletze, meine Leistung nicht mehr stimmt oder mich kein Verein mehr haben will. Das war nicht durch Angst getrieben, aber das sind ja Gedanken, die real sind und Dinge, die immer wieder passieren. Da habe ich gesagt: Über was möchte ich mich später definieren? Wie kann ich es schaffen, wenn ich mich den ganzen Tag mit Fußball beschäftige, mit 30 oder 35 einen guten Übergang in das neue Leben bekommen? Was ist das, was mich dann motiviert morgens so aufzustehen wie für den Fußball? Weil irgendwann wird es nicht mehr so sein. Dafür muss man kein Hellseher sein.
Fohlen-Hautnah: Mit „Picue“ scheinst Du ja dann Deine Berufung, im wahrsten Sinne des Wortes, gefunden zu haben?