Marcell Jansen: Dank „Picue“ war es für mich dann natürlich auch einfacher, morgens aufzustehen. Weil ich etwas hatte, dass mich und mein Herz berührt. Das ist das Entscheidende. Ich denke, dass das viele Leistungssportler unterschätzen. Man bekommt ja während seiner Karriere Feedback von den Menschen, weil man Leistung bringt, egal ob das gutes oder schlechtes Feedback ist. Und man reflektiert sich selbst ja auch.
Fohlen-Hautnah: Es scheint aber, als wärst Du einer der wenigen, die sich so frühzeitig und ernsthaft mit der „Karriere nach der Karriere“ auseinandersetzen?
Marcell Jansen: Ich erkenne zumindest einen Schritt in die richtige Richtung, dass sich Fußballer immer mehr mit anderen Dingen beschäftigen. Rene Adler, Mats Hummels, Simon Rolfes oder Stefan Reinartz sind da Beispiele für. Es passiert ja was. Aber insgesamt könnte es schon mehr sein. Das Problem ist vielleicht manchmal, dass der Fußballer denkt, er wäre der Mittelpunkt der Welt. Da kann er gar nichts für, weil es als junger Kerl um ihn herum aufgebaut wird. Aber es gibt immer ein Leben danach. Unabhängig von finanzieller Sicherheit ist das Leben noch lang. Und das ist ein anderes Leben als das, was man zehn oder fünfzehn Jahre zuvor kennengelernt hat. Es ändert sich radikal und ich kann nur jedem empfehlen, sich darauf ein bisschen vorzubereiten.
Fohlen-Hautnah: Viele Fußballer sehen aber während der Karriere offenbar nur das große Geld…
Marcell Jansen: Selbst wenn man finanziell ausgesorgt hat, stellt sich die Frage: Wofür bekomme ich denn dann noch dieses Feedback, das ich brauche? Als 30 oder 35-jähriger brauche ich auch ein Feedback, wenn ich was gut oder schlecht gemacht habe. Das ist man ja auch gewohnt. Wenn du dann auf einmal nur noch über deine Weltmeisterschaft, Länderspiele, Deutsche Meisterschaften oder Derbys redest und merkst, dass im Leben nichts mehr Interessantes passiert und man kriegt kein Feedback für andere Sachen, die man auch gut macht, dann wird man schnell unzufrieden. Der Gefahr wollte ich entgegenwirken. Nicht aus einer Angst her, sondern aus einer Begeisterung her.
Im zweiten Teil des Interviews erzählt Marcell Jansen uns demnächst, was für ein Glück er in seiner Karriere mit seinem Berater hatte, der für ihn stets eine Vaterfigur war und wie schwer es viele junge Fußballer haben, sobald die Eltern die Bodenhaftung verlieren. Zudem erklärt er, warum er froh ist, wieder einen Spielerpass in der 3. Mannschaft des HSV zu haben.