
Seit nunmehr fast fünf Jahren ist Tobias Sippel nun bei Borussia Mönchengladbach. Hinter der unumstrittenen Nummer eins Yann Sommer gilt der 32-Jährige als einer der besten zweiten Torhüter der Bundesliga. Im Interview mit unserer Redaktion hinterlässt der gebürtige Pfälzer keine Zweifel daran, dass er mittlerweile am linken Niederrhein heimisch ist und spricht unter anderen über seine Rolle bei Borussia, die aktuelle Situation rund um den Corona-Virus und seine weitere Karriereplanung.
Fohlen-Hautnah: Tobi, zunächst einmal vielen Dank, dass Du Dir für uns die Zeit nimmst. Eine Frage vorab, wie geht es Dir und Deiner Familie?
Tobias Sippel: Danke der Nachfrage. Meiner Familie und mir geht es sehr gut. Natürlich ist der Faktor Langeweile Zuhause hoch. Mittlerweile kennen wir jeden Wander- und Fahrradweg (lacht). Deshalb ist es schon schön, dass jetzt ein paar Lockerungen gekommen sind. So können wir vor allem mit unserem Sohn mal wieder auf den Spielplatz. Dennoch halten wir uns natürlich weiterhin an die Hygiene- und Abstandsregeln.
Fohlen-Hautnah: Ihr habt lange im „Homeoffice“ und ohne Gang in die Stadt und/ oder ins Restaurant leben müssen. Wie war das für Dich und wie hast Du da den Alltag gestaltet?
Tobias Sippel: Zu Beginn war das alles irgendwie schwer vorstellbar, wie ein Training Zuhause durchzuführen ist. Aber wir haben immer super Trainingspläne bekommen und ich denke, die haben wir auch gut umgesetzt. Nach ein paar Wochen haben wir ja zumindest wieder in kleinen Gruppen trainieren dürfen. Es war schön, das Stadion und die Jungs wiederzusehen. Der Ball und die Gespräche mit den Jungs haben einem schon auch gefehlt.
Fohlen-Hautnah: Auch eine Runde auf dem Golfplatz ist nach wie vor nicht möglich. Wie sehr vermisst du die Abschläge und auch die damit verbundenen Ruhe auf dem Golfplatz?
Tobias Sippel: Natürlich bietet sich das aktuelle Wetter dazu an, um eine Runde Golf zu spielen. Ich glaube, dass die Plätze durch die lange Pause in einem Top-Zustand sind. Ich denke aber nicht, dass ich in nächster Zeit Golfen gehen werde. Wenn ich jetzt zu meiner Frau sage, ich gehe zum Golfen, wird sie mir etwas anderes erzählen (lacht).
Fohlen-Hautnah: Wie hat sich Deine Leidenschaft zum Golf eigentlich entwickelt?
Tobias Sippel: Ich bin leidenschaftlicher Golfspieler. Das war ich schon zu meiner Zeit beim 1. FC Kaiserlautern. Da hatte ich auch immer ein Golfbag im Auto. Ich bin da auch sehr ehrgeizig. Für mich ist das ein Ausgleichssport. Ich lege mein Handy weg und spiele dann drei, vier Stunden.
Fohlen-Hautnah: Das Fanprojekt hat die Aktion „Sei dabei. Trotzdem!“ Ins Leben gerufen. Dort können die Fans für 1900 Cent als Pappfigur dennoch mit im Stadion sein. Es gibt bereits über 12.000 Bestellungen, auch ihr Profis habt euch in der Nordkurve verewigt. Bist Du auch dabei und wie ist diese Aktion generell bei Dir und euch angekommen?
Tobias Sippel: Am Anfang war ich ehrlich gesagt etwas skeptisch. Wenn man aber jetzt ins Stadion kommt und die Tribünen mit den Pappfiguren „wachsen“ sieht, dann sieht das schon mega aus. Es macht schon was aus, ob die Nordkurve leer oder eben jetzt auf diese Weise „gefüllt“ ist. Man hat schon das Gefühl, dass da jemand ist. Mal schauen, wie viele Fans noch dazukommen. Natürlich habe ich mich da auch „verewigt“. Das war für mich auch keine Frage. Ich habe jetzt gehört, dass man auch vor dem Stadion Hunde als Pappfiguren platzieren kann. Ich habe ja auch zwei. Da überlege ich, ob ich die beiden nicht auch da „verewige“.
Fohlen-Hautnah: Eine weitere Aktion, die Borussia ins Leben gerufen hat, ist das Sondertrikot „Unzähmbar“, das schon so gut wie ausverkauft ist. Wie gefällt Dir das neue Trikot und hast Du es Dir auch ergattert?
Tobias Sippel: Ich finde das Trikot super und habe es mir direkt auch besorgt.
Fohlen-Hautnah: Auch ihr greift dem Klub untrer die Arme, in dem ihr auf Teile eures Gehalts verzichtet. Hast Du lange überlegen müssen, um einem Gehaltsverzicht zuzustimmen?
Tobias Sippel: Borussia war der erste Klub, der das gemacht hat. Für uns als Mannschaft war das gar keine Frage, dem Klub in dieser Situation zu helfen. Denn das Geld kommt ja vor allem den Mitarbeitern zugute, die in Kurzarbeit gehen mussten. Borussia hat uns schon sehr viel gegeben, da wollten wir etwas zurückgeben.
Fohlen-Hautnah: Einige Spieler, wie Matthias Ginter und Patrick Herrmann, unterstützen in dieser Krise mit diversen Hilfsprojekte. Wie ist das bei Dir?
Tobias Sippel: Ich habe mir mit meiner Frau darüber schon Gedanken gemacht. Wir würden gerne etwas in meiner Region tun. Mein Vater hat ihn Bad Dürkheim eine Bäckerei, die es bereits seit 150 Jahren gibt und im Familienbesitz ist. Ich selber habe ja auch Bäcker gelernt. Mein Vater musste seine Mitarbeiter jetzt auch in Kurzarbeit schicken, weil die Umsätze durch fehlende Weinfeste und so weiter eingebrochen sind. Das geht ihm sehr nahe und da mache ich mir schon Gedanken. Ich denke, da werde ich ihm jetzt mal unter die Arme greifen.
Fohlen-Hautnah: Kommen wir mal zum Fußball und Deiner Situation bei Borussia. Als Torhüter will man ja immer spielen. Wie schwer ist es wenn man weiß, dass man eigentlich nur dann zum spielen kommt, wenn sich Yann Sommer verletzt oder gesperrt ist? Wie motiviert man sich da tagtäglich?
Tobias Sippel: Das ist immer eine Typ-Frage, Ich glaube, wenn ich einer wäre, der da keinen Bock drauf hat, wäre ich schon längst woanders. Aber das ist einfach nicht mein Naturell. Ich bin ein absoluter Teamplayer. Ich fühle mich wohl und bin glücklich, wenn die Mannschaft spielt und im besten Fall gewinnt. So bin ich eben. Wahrscheinlich ist das auch mein großes Problem, sonst würde ich woanders spielen und eine weitaus größere Präsenz haben. Aber das bin ich nicht und wollte ich auch nie sein. Ich fühle mich hier wie schon in Kaiserslautern zuhause. Das Training macht verdammt viel Spaß und ich verstehe mich super mit Yann. Ich habe selten so eine Konstellation in einem Torwartteam erlebt, die so gut ist. Ich glaube, das spürt Yann auch und deshalb wird er von Saison zu Saison besser, weil wir hinten dran sind und den Druck hochhalten. Also es läuft alles top und es macht extrem viel Spaß.
Fohlen-Hautnah: Bei Borussia gibt es in Uwe Kamps und Steffen Krebs mittlerweile zwei Torwarttrainer. Wo liegen da die Schwerpunkte? Hat jeder Trainer seine eigenen Ideen?
Tobias Sippel: Grundsätzlich ergänzen sich Uwe und Steffen sehr gut und stehen immer gemeinsam auf dem Platz. Der eine schießt dann die Bälle aufs Tor, während der andere beobachtet, korrigiert und Hilfestellung gibt. Steffen übernimmt zudem den größten Teil vom Bereich Torwarttechnik.
Fohlen-Hautnah: Das Torwartspiel hat sich ja in den letzten Jahren verändert. Teilweise ist der Torwart eine Art Libero geworden. Wie bewertest Du diese Entwicklung und denkst Du, dass es auch in den kommenden Jahren immer mal wieder eine Art „Revolution“ im Torwartspiel geben wird, oder wird es eher so bleiben?
Tobias Sippel: Das wird auf jeden Fall so bleiben. Ich habe schon unter Gerry Ehrmann als 18-Jähriger gelernt, dass ich vor dem 16er stehen muss, wenn der Ball in der gegnerischen Hälfte ist. Mir macht das Spiel am Limit extrem viel Spaß. Natürlich geht das auch mal schief und dann siehst du blöd aus, aber in der Regel nimmst du dem Gegner so schon einige Großchancen weg, wenn du es gut machst.
Fohlen-Hautnah: Apropos Gerry Ehrmann. Es ist kein großes Geheimnis, dass Du mit Deiner Heimat sehr verbunden bist. Besorgt es Dich, was aktuell bei Deinem Ex-Klub 1. FC Kaiserslautern so alles passiert?
Tobias Sippel: Natürlich habe ich immer noch Verbindung zum FKC: Es tut schon weh, was da aktuell passiert. Alleine schon die Tatsache, dass der Klub darum kämpfen muss, in der 3. Liga zu bleiben. Vor Jahren hätte es das nicht gegeben, dass man gegen den Abstieg in die Regionalliga kämpft. Aber das war irgendwie in den letzten Jahren abzusehen. Jetzt kommt die Quittung. Mit der Corona-Krise ohne Zuschauereinnahmen wird es jetzt natürlich noch schwerer.
Fohlen-Hautnah: Was ist denn das Geheimnis von Gerry Ehrmann, der beim FCK so viele gute Torleute entwickelt hat?
Tobias Sippel: Gerry kenne ich seitdem ich 14 Jahre alt bin. Er war für seine Spieler immer wie eine Art Vater. Das heißt, er würde für seine Torhüter alles tun. Er würde sie niemals hängen lassen. Gerry hat seine Grundprinzipien wie Ehrgeiz, Sprungkraft und Ausstrahlung. Der Torhüter muss ein „Killer“ sein, der keine Angst hat. Das lebt er auch durch sein Naturell und Auftreten vor. Du musst bei ihm immer ans Limit gehen. Mich hat das geprägt. In Kaiserslautern war es so, dass er immer junge Torhüter rausgebracht und gefördert hat.
Fohlen-Hautnah: Inwiefern glaubst Du, wird sich der Fußball durch diese Krise in Zukunft gerade in Bezug auf den Transfermarkt verändern?
Tobias Sippel: Das ist schwer zu sagen. Ich denke, dass gerade in England sehr viel Geld vorhanden ist. Dann gibt es Klubs wie Real Madrid, FC Barcelona und Paris Saint Germain. Diese Klubs haben sehr viel Geld. Ich glaube, dass solche Klubs auch weiter über ihre Schmerzgrenze gehen werden, wenn sie einen absoluten Top-Spieler haben wollen. In Deutschland glaube ich schon, dass sich viel ändern wird, weil die Klubs wirtschaftlich alle relativ gut dastehen und keine Schulden machen wollen. Zudem gibt es hier Regeln von der Deutschen Fußball Liga. Insofern glaube ich, dass sich bei uns etwas ändern und es erstmal keine „großen“ Transfers geben wird.
Fohlen-Hautnah: Dein Vertrag läuft aktuell noch bis Sommer 2021. Hast Du dir schon Gedanken über Deine weitere Zukunft gemacht? »Bei Borussia ist alles gegeben. Hier macht es riesigen Spaß und von oben bis unten stimmt alles. Deswegen wäre es blöd, wenn man in der Situation gehen würde«, hast Du uns im Februar 2019 in die Notizbücher geschrieben. Ist dem immer noch so?
Tobias Sippel: Auf jeden Fall. Jetzt wäre zwar ein möglicher Zeitpunkt, um darüber zu diskutieren, wie man das angeht, aber ich stehe da mit dem Klub immer in einem guten, offenen und ehrlichen Kontakt. Ich denke, wir werden auf einen gemeinsamen Nenner kommen, wie wir in den nächsten Jahren eventuell weitermachen. Ich fühle mich bei Borussia super wohl, meine Frau fühlt sich ebenso wohl und mein Sohn soll hier auch in die Kita gehen. Also wir sehen unsere Zukunft am linken Niederrhein.
Fohlen-Hautnah: Wenn Tobias Sippel dann mal nicht mehr als Profi-Fußballer unterwegs sein wird – was hat er dann vor?
Tobias Sippel: Plan A wäre im Torwarttrainerbereich zu abreiten, weil es mir sehr viel Spaß macht. Ich denke, dass werde ich wahrscheinlich mit Max Eberl besprechen, wenn irgendwann einmal der Zeitpunkt gekommen ist, dass es als Torwart nicht mehr weitergeht. Dann kann ich mir gut vorstellen, im Jugendbereich anzufangen und die Trainerscheine zu machen. Ich möchte gerne weiterentwickeln und ich glaube ich, dass der Beruf sehr gut zu mir passt. Mir würde es Spaß machen, meine Erfahrungen mit jungen Torhütern zu teilen und sie zu entwicklen. Zudem kann ich mir auch sehr gut vorstellen, meinen Vater in der Heimat zu unterstützen und als achte Generation in seine Fußstapfen zu treten.
Fohlen-Hautnah: Wenn Du mal auf Deine bisherige Karriere zurückschaust – wie zufrieden bist Du bisher und was würdest Du vielleicht anders machen?
Tobias Sippel: Das ist schwer zu sagen. Kaiserslautern war eine super Zeit für mich. Ich bin als Meister der 2. Bundesliga aufgestiegen und habe dann zwei Jahre in der Bundesliga gespielt. Das war damals immer mein Ziel mit dem FCK. Dann bin ich U21-Europameister geworden und war einmal bei der A-Nationalmannschaft dabei. Wie ich eben schon gesagt habe, vielleicht hätte ich ein anderes Naturell haben müssen, dann wäre ich viel weiter gekommen. Aber Fußball ist mein Hobby und macht mir Spaß. Deswegen mache ich das, für nichts anderes. Ich bin so ein Wohlfühlmensch. Wenn das nicht gegeben ist, würde ich es auch nicht machen. Das ist bei Borussia gegeben und deshalb fühle ich mich super wohl. Alle sagen immer du musst spielen, geh doch woanders hin. Aber ich habe damals auch zu Max Eberl gesagt, dass ich entweder nach Kaiserslautern zurückkehre oder ganz aufhöre, wenn es bei Borussia nicht läuft. Denn ich bin eben nicht der Typ, der von Verein zu Verein geht.
Fohlen-Hautnah: Was ist also Borussia mittlerweile für Dich?
Tobias Sippel: Heimat. Wenn wir nach Bad Dürkheim fahren, dann ist es Urlaub und ein Besuch bei der Familie. Aber Heimat ist jetzt der linke Niederrhein und Düsseldorf, wo wir wohnen. Da fühlen wir uns wohl. Der Verein ist top und wir spielen sehr guten Fußball. Ich habe extrem dazugelernt und es macht extrem viel Spaß. Deshalb war es der beste Schritt, den ich damals hätte machen können.
Fohlen-Hautnah: Wenn die Saison im Mai weitergeht – wie schwer ist so ein Re-Start dann nach so einer langen Pause und was ist dann unter dem Strich möglich?
Tobias Sippel: Stand jetzt, gehen wir ab nächste Woche für eine Woche ins Hotel. Dann geht es am 16. Mai mit dem Spiel bei Eintracht Frankfurt wieder los. Einige werden sagen, 90 Minuten kicken bekommen die locker hin. Aber ich stelle mir das schon sehr schwer vor, weil du ein Ligaspiel nicht simulieren kannst. Dazu kommen dann die englischen Wochen. Du musst von 0 auf 100 hochfahren. Das wird nach so langer Zeit schon nicht einfach und da wird man alle Spieler brauchen. Aber das betrifft ja alle Teams. Wir bereiten uns akribisch darauf vor und werden bereit sein. Wir wollen so viele Punkte wie möglich holen und weiter oben dranbleiben. Da muss jeder fit sein und Vollgas geben. Natürlich ist das alles ohne Zuschauer eher wie eine Art Trainingsspiel und nicht der Fußball, den wir kennen und wollen, aber für den Moment die einzig mögliche Lösung.