Christian Neidhart: »Jan Urbich?… Dafür ist Gladbach eine Top-Adresse«

Jan Urbich gab gegen Freiburg sein Bundesliga-Debüt für die Fohlen. Foto: Dirk Päffgen

Seit vergangenen Sommer steht Jan Urbich in Diensten von Borussia Mönchengladbach. Zur neuen Saison kam der 21-Jährige von Kickers Offenbach an den linken Niederrhein. Zunächst für die U23 eingeplant, schlug der Stürmer sofort ein. Den Lohn seiner Leistung erntete der Angreifer am vergangenen Wochenende, als er im Heimspiel gegen den SC Freiburg sein Bundesliga-Debüt feierte. Im Interview mit unserer Redaktion spricht sein Förderer und Ex-Coach bei Kickers Offenbach, Christian Neidhart, über den Weg seines Ex-Schützlings.

Fohlen-hautnah: Herr Neidhart. Erstmal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, um mit uns über Jan Urbich zu sprechen. Jan hat am Wochenende im Spiel gegen den SC Freiburg für Borussia Mönchengladbach sein Bundesliga-Debüt gegeben. Haben Sie seinen Einsatz verfolgt und wie bewerten Sie seine Leistung?

Christian Neidhart: Ich habe im Vorfeld der Partie mit Jan geschrieben. Da hat er mir gesagt, dass er im Kader steht. Ich habe ihm dann viel Glück gewünscht und die Daumen gedrückt, dass er seinen ersten Bundesliga-Einsatz bekommt. Ich habe mich dann sehr für ihn gefreut, dass es geklappt hat. Ich habe seinen Einsatz leider nicht gesehen, aber wir haben auch nach dem Spiel darüber geschrieben und ich habe ihm zu seinem Debüt gratuliert.

Fohlen-hautnah: Noch vor zweieinhalb Jahren schnürte er die Schuhe für die U19 des FV 02 Biebrich. Heute hat er mit 21 Jahren bereits erste Bundesliga-Minuten gesammelt. Hätten Sie ihm eine derartige schnelle Entwicklung erwartet?

Christian Neidhart: Ich sag mal so: ich hatte bisher immer ein gutes Händchen für Stürmer. Ich habe Deniz Undav damals von Braunschweig II nach Meppen geholt. Welchen Weg er gegangen ist, ist bekannt. Ich habe Marco Komenda damals von Gladbach II geholt, er ist Bundesliga-Spieler geworden. Jan benötigt den Feinschliff. Und den bekommst du bei einer zweiten Mannschaft wie der von Borussia Mönchengladbach, weil da der Druck nicht so hoch ist, wie zum Beispiel in Offenbach. Wahrscheinlich wird der Druck jetzt größer, wenn er vermehrt Einsätze bei den Profis bekommt. Aber man sieht, dass alles möglich ist im Fußball. Er hat in Eugen Polanski einen Trainer, der ihn mitgenommen hat, weil er gute Leistungen gezeigt hat. Und wie sagt man im Fußball: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Das hat er geschafft und freut mich sehr für Jan, weil er einfach auch ein super Typ ist.

Fohlen-hautnah: Sie sind neben Christian Hock zweifelsohne ein Förderer von Jan. 2023 kam er mit der Empfehlung von 31 Toren in der U19-Hessenliga an den Biederer Berg. Er hat sich dann auch relativ schnell unter ihnen festgespielt. Was haben Sie damals in ihm gesehen, dass Sie ihn direkt gebracht haben?

Christian Neidhart: Wir hatten in Dimitrij Nazarov und Marcos Álvarez namhafte Stürmer, die alle auch schon über Zweitliga-Erfahrung verfügten. Jan war dann als junger Stürmer mit dabei. Was ihn ausgemacht hat, war sein Tiefgang im Spiel. Er war ein anderer Stürmertyp als die, die schon im Kader waren. Die Mischung passte dann einfach ganz gut. Wir konnten dann mit Jan als jungen und mit einem erfahrenen Stürmer spielen. Der eine, der die Bälle in den Fuß bekommt und der andere, der die Tiefe annimmt und auch ein gutes Tempo hat. Das hat ihn ausgezeichnet.

Fohlen-hautnah: Er hat sich dann auch bei Ihnen sehr gut entwickelt und ist dann zur Borussia gekommen. Haben Sie vor seinem Wechsel mit ihm darüber gesprochen?

Christian Neidhart: Ich habe ihm gesagt, dass der Schritt zu einer zweiten Mannschaft von einer Profi-Mannschaft genau der richtige Weg ist. Da kann er viel lernen und mitnehmen. Er kam nach Offenbach aus der A-Jugend, ist bei mir direkt Stammspieler geworden und musste schon in jungen Jahren bei einem Traditionsverein viel aushalten. Es ist immer ein gewisser Druck vorhanden. Vor allem, weil es im ersten Jahr nicht so gut bei uns lief. Jan hat aber dennoch seinen Mann gestanden. Im zweiten Jahr sind wir dann Zweiter geworden. Jan hat aus beiden Jahren viel mitgenommen und viel an Erfahrung sammeln können. Ich glaube, dass er so viele Spiele macht, hat er sich im Vorfeld auch nicht ausgerechnet.

Fohlen-hautnah: Auch in der Regionalliga West stellt Jan  aktuell seine Torjäger-Qualitäten unter Beweis. Zehn Tore in 11 Regionalliga-Spielen sind eine starke Quote…

Christian Neidhart: Das ist eine seht gute Quote. Er hatte wirklich einen sehr guten Start in der Regionalliga-West mit vielen Toren. So macht man dann als Stürmer auf sich aufmerksam. Ich habe mir alle Tore angeschaut, die er gemacht hat. Die hat er sehr abgezockt gemacht. Wie ich schon gesagt habe. Da sieht man, dass man in solchen Mannschaften weniger Druck hat. Natürlich muss man auch damit klar kommen. Aber gerade in der Anfangszeit ist dieser Weg über eine U23, sich weiterzuentwickeln und mal Profiluft zu schnuppern, der richtige Weg. Ich traue Jan viel zu, dass er seinen Weg machen wird, wenn er weiter so Gas gibt und bescheiden bleibt. Aber davon gehe ich aus, ich halte sehr viel von Jan.

Fohlen-hautnah: Eugen Polanski hat sich „getraut“, ihn zu bringen. Natürlich auch bedingt durch die personellen Probleme im Offensivbereich. Oftmals ist es ja so, dass sich Trainer „schwertun“, junge Spieler gerade auch in so einer Situation ins kalte Wasser zu werfen. Wie wichtig ist es aber dennoch, genau das zu tun?

Christian Neidhart: Eugen Polanski war ja mehr oder weniger gezwungen, etwas anders zu machen. Wenn es nicht läuft, ist es manchmal einfacher, etwas zu verändern. Eugen hat ja gesehen, dass Jan in der zweiten Mannschaft seine Leistung konstant abruft. Warum soll man dann einem Spieler der im Verein is und zehn Tore geschossen hat nicht die Möglichkeit geben, hochzuholen. Dafür hat man ihn ja als jungen Spieler geholt, um ihn weiterzuentwickeln. Genau das hat Eugen gemacht und das zeigt, dass er mutig war, auch wenn ihm ein Stück weit die Alternativen gefehlt haben. Das Glück braucht du dann als Spieler auch. Ich finde es gut, dass Eugen das gemacht hat, Aber er kennt seinen Schützling ja auch am besten.

Fohlen-hautnah: Was zeichnet Jan denn aus und was kann/muss er noch verbessern? 

Christian Neidhart: Jan ist menschlich ein Top-Typ. Er hat überhaupt keine Starallüren, sondern ist sehr bodenständig. Er ist sehr wissbegierig und immer sehr fleißig. Er hat ein gutes Tempo, auch in der Tiefe. Was er noch verbessern muss sind die Laufwege, das taktische Verhalten und den ersten Kontakt. Aber das hat er schon gut verbessert. Jan ist jung genug, um alles aufzusagen. Auch wenn es gerade im Klub nicht so gut, ist er bei einem Top-Verein. Das ist aber immer auch die Chance für andere. Wenn alles perfekt laufen würde, dann würde er wahrscheinlich „nur“ für die U23 auf Torejagd gehen. Dieses Glück brauchst du als junger Spieler auch mal, dass du zeigen kannst, was du drauf hast. Dieser Weg freut mich absolut für ihn. Das ist eine Riesenchance und jetzt liegt es an Jan, ob er sie nutzt 

Fohlen-hautnah: Was ist Jan denn außerhalb des Platzes für ein Typ?

Christian Neidhart: Jan ist ein ganz ruhiger Typ, er redet nicht viel. Er war schon in Offenbach ein eher ruhiger Tap. Sicherlich hat er auch den einen oder anderen Spaß mitgemacht, aber er hat sic schon zurückgehalten und war innerhalb der Mannschaft eher einer der ruhiger Vertreter. Das Kabinenleben hat er aber schon sehr genossen. Ich glaube aber, die zwei Jahre in Offenbach haben ihm sehr gutgetan und auch geprägt, in welche Richtung es geht. Ich sage immer: Wenn ein Stürmer seine Tore macht entscheidet er selbst, wohin sein Weg geht, Das hat Jan gemacht. Er hat in Offenbach auf sich aufmerksam gemacht und macht es bei Gladbach auch. Jan muss akribisch dranbleiben und weiter hart abreiten.

Fohlen-hautnah: Glauben Sie, dass Borussia Mönchengladbach für Jans Entwicklung und weiteren Weg genau die richtige Adresse ist?

Christian Neidhart: Der Weg über die U23 auf jeden Fall. Das habe ich ja bereits betont. Es war ja nicht davon auszugehen, dass er direkt in den Bundesliga.Kader kommt. Aber bei einem Wechsel macht man sich ja als Spieler Gedanken, welche Möglichkeiten es gibt, um oben mittrainieren zu können. Und auch der Klub macht sich Gedanken, was man in dem Spieler sieht, wohin der Weg gehen soll. So war es bei Jan auch. Es gibt auch Klubs, die keine zweiten Mannschaften haben. Dann kannst du diesen Weg nicht gehen, Deshalb finde ich es gut, dass die zweite Mannschaft bei Borussia immer eine gute und wichtige Rolle spielt und man darüber die Chance bekommt, so einen Weg wie Jan zu gehen. Dafür ist Gladbach eine Top-Adresse. 

Fohlen-hautnah: Was trauen Sie Jan in der Zukunft zu?

Christian Neidhart: Ich glaube ganz viel. Aber es liegt auch an Jan selbst, was er daraus macht. Ich sage für mich: Kein Trainer bringt einen Spieler in die Bundesliga, sondern die Jungs durch ihr Talent oder ihre Gabe. Sie zeigen das selber. Wenn ein Spieler gut ist, dann bleibt er nicht unterm Radar, sondern dann wird er sich durchsetzten. Das wird man bei Jan sehen. Wenn er gut genug ist, dann wird man den Weg nicht aufhalten können. Dann wird er seinen weitergehen. Man muss manchmal auch ein Stück weit bescheiden bleiben und die nötige Demut an den Tag legen, wenn es mal nicht so läuft. Dafür sind dann logischerweise auch andere Spier da mit einer ganz anderen Qualität. Wenn du da die nötige Geduld aufbringst, dann glaube ich schon, dass du dann auch nicht zu bescheiden sein darfst, sondern schon auch Druck machen und zeigen musst, dass du da bist und Ansprüche stellst. Dann glaube ich, bekommt Jan das hin. Ich werde seinen Weg weiter verfolgen und werde auch mal versuchen, ihn live im Stadion zu verfolgen. Er muss weiter dranbleiben., 

Fohlen-hautnah: Kommen wir zum Schluss kurz zu Ihnen. Sie waren bis zum Sommer Trainer bei Kickers Offenbach. Wie schauen Sie auf diese Zeit zurück und ergibt sich vielleicht schon eine neue Aufgabe? 

Christian Neidhart: Ich schaue mit Demut auf Offenbach zurück. Gerade, weil wir mit dem 2. Tabellenplatz ein sehr erfolgreiches zweites Jahr hatten. Die zweite Mannschaft von Hoffenheim war in diesem Jahr besser und ist zurecht aufgestiegen. Mein Vertrag lief aus. Ich schaue jetzt, was auf dem Markt los ist. Ich würde gerne wieder in der 3. Liga arbeiten. Dementsprechend warte ich jetzt mal ab, was passiert. Ich halte die Augen und Ohren offen. Aber es muss passen und eine gute Perspektive bieten.