Borussias Transfer-Strategie ist konsequent – aber riskant

Roland Virkus verzichtete auf Verstärkungen in der Defensive. Foto: Dirk Päffgen

Lange haben die Fans von Borussia Mönchengladbach auf den Deadline-Day der diesjährigen Sommer-Transferperiode gewartet. In Erwartung einer Defensiv-Verstärkung wurden Transfer-News gewälzt, Live-Ticker aktualisiert und Foren durchstöbert. Letztlich geschah jedoch in Sachen Zugänge nichts mehr, der Kader steht, zumindest bis zur Winterpause. Das ist einerseits konsequent – andererseits birgt es aber Risiken, deren Folgen sich mittelfristig auswirken könnten. Ein Kommentar. 

Virkus‘ Sinneswandel und seine Gründe

»Es ist klar, dass wir im defensiven Bereich schauen, wo man noch etwas machen kann. Wenn sich dort ein Transfer-Fenster auftut, dann müssen wir da sein«, so Virkus zu Beginn der Transferperiode. In Erinnerung dieser Worte waren die Erwartungen groß. Verschiedene Kandidaten kursierten in den Medien – die wohl spannendsten unter ihnen: Jordan Torunarigha von der KAA Gent, Bernardo vom VfL Bochum, Kevin Diks vom FC Kopenhagen. 

Inzwischen herrscht Gewissheit, dass keiner der drei das Trikot mit der Raute tragen wird, zumindest nicht in dieser Hinrunde. Obwohl durch den Abgang von Manu Koné in Richtung Rom das benötigte Kleingeld in die Kasse fließt, hielten Virkus und Co. die Füße still. Einerseits diene das Geld der Konsolidierung, da man bei den bisherigen Transfers in Vorleistung ging. Andererseits sei Virkus »zu 100 Prozent davon überzeugt, dass wir einen hervorragenden Kader haben. Wenn man etwas macht, dann muss es den Kader nicht nur in der Breite, sondern in der Spitze verbessern. Wenn du dieses Gefühl aber nicht hast, dann machst du auch keine Hauruck-Aktion.« Dies habe sich anhand des 2:0-Auswärtserfolgs in Bochum bewiesen: »Beide Innenverteidiger und auch die beiden Außenverteidiger haben sehr gut gespielt.« 

Es darf nur niemand ausfallen

Jedoch ging es nie darum, dass der Kader in der Spitze nicht gut genug ist – was fehlt sind Alternativen in der Defensive, sollte eine Stammkraft ausfallen. Zumal die Erwartungen an einen Transfer nur deshalb so groß waren, da Virkus den Handlungsbedarf selbst ins Spiel gebracht hat.

Für die Innenverteidigung stünden im Zweifelsfall Routinier Marvin Friedrich und Talent Fabio Chiarodia zur Verfügung. Letzterer wird weiter Spielpraxis sammeln dürfen, schließlich soll er langfristig die Rolle in der linken Innenverteidigung übernehmen. Ihn auch mal ins kalte Wasser zu werfen, Fehler als Teil der Entwicklung hinzunehmen, das ist der Weg, dem sich Borussia verschrieben hat und nach dem die Vereinsführung handelt. Chiarodia einen (erfahrenen) Konkurrenten vor die Nase zu setzen, wäre daher inkonsequent. 

Wie weit darf man jedoch vom ‚Borussia-Weg‘ abweichen, wenn man fürchtet, dass dieser nicht immer zum Ziel führt? Man stelle sich vor, Linksverteidiger Luca Netz fiele für gewisse Zeit aus, dann wäre die logische Folge, dass Joe Scally auf links ausweicht und Stefan Lainer in die Startelf rückt. Lukas Ullrich ist für die Stammposition auf links noch zu unerfahren; man täte ihm selbst damit keinen Gefallen. Oder Chiarodias Anpassungsschwierigkeiten fallen größer aus als erwartet, sollte sich ein Engpass in der Innenverteidigung ergeben. Gerardo Seoane müsste auch ihm dann noch mehr Eingewöhnungszeit gewähren. Bei einem 19-Jährigen wäre das weder verwunderlich, noch könnte man ihn dafür kritisieren.  Bliebe noch Marvin Friedrich, doch dürfte dann kein weiterer Verteidiger mehr ausfallen, schließlich mangelt es an Alternativen. 

Der Fußballgott muss dieses Jahr Borusse sein

Sicher wünscht sich niemand solche Szenarien. Doch der Fußball ist kein Wunschkonzert: Verletzungen geschehen, Spieler werden gesperrt und der Kader von Borussia wirkt plötzlich dünner, als man es wahrhaben möchte. Das ist das Risiko, das die sportliche Führung zum Transferschluss hingenommen hat und das Borussia bis zur Winterpause überstehen muss. Natürlich haben die drei Transfers einiges an Geld gekostet und man muss von der Ablösesumme für Manu Koné auch an den FC Toulouse etwas abgeben, aber ein Leihgeschäft hätte doch drin sein können.

Immerhin sind die Leistungen der Mannschaft zum Saisonauftakt vielversprechend, die jüngst entfachte Euphorie soll nicht im Keim erstickt werden. Bleibt im Hinterkopf nur die Befürchtung, dass der Fußball-Gott dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung macht. Vielleicht hat Borussia aber Glück und er trägt er in diesem Jahr wieder das Trikot mit der Raute …

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