
Martin Dahlin gehörte bei Borussia Mönchengladbach zweifelsohne zu den Top-Angreifern. In seinen 125 Spielen für die Fohlenelf erzielte der Schwede 60 Tore. Ein wichtiges davon im DFB-Pokalendspiel 1995, das die Fohlenelf bekanntlich mit 3:0 gegen den VfL Wolfsburg gewann. 25 Jahre später spricht der heute 52-jährige Spielerberater im Interview mit unserer Redaktion auch über diesen Erfolg, die Entwicklung des Klubs, Max Eberl und über ein Talent, das er den Borussen empfiehlt.
Fohlen-Hautnah: Martin, zunächst die wichtigste Frage in diesen Tagen und Wochen: Wie geht es Dir und Deiner Familie? Wir hoffen, dass Du mit Deiner Familie bisher gut durch die Krise gekommen bist…
Martin Dahlin: Uns geht es gut, danke der Nachfrage. Wir sind momentan Zuhause in Monaco, wo wir seit 14 Jahren leben. Wir sind bisher Gott sei Dank gut durch die Pandemie gekommen. Bei uns gibt es noch keinen Lockdown. Die Restaurants sind nach wie vor offen und die Kinder gehen in die Schule. Es fühlt sich alles normal an.
Fohlen-Hautnah: Du bist heute als Spielerberater tätig. In wie fern ist Dir da Deine Spielerkarriere hilfreich?
Martin Dahlin: Es ist natürlich ein großer Vorteil, dass ich Fußball-Profi war. Es gibt in vielen Vereinen unterschiedliche Positionen, die mit Ex-Profis besetzt sind und die ich kenne. Deshalb ist es für mich natürlich auch einfacher, diverse Informationen von den Klubs zu bekommen, auf welchen Positionen sie Spieler suchen. Da ist es natürlich auch einfacher für mich, meine Spieler zu präsentieren.
Fohlen-Hautnah: Wie hat sich Deine Arbeit und auch der Fußball generell in den letzten Jahren verändert?
Martin Dahlin: Grundlegend nicht allzu viel. Im Fußball geht es immer um sehr viel Geld. Das war früher so und ist auch heute noch so. In der Relation heute vielleicht ein bisschen mehr. Die Ablösesummen und auch die Gehälter werden immer höher. Zumindest war das vor der Corona-Pandemie so. Das hängt natürlich mit dem großen Interesse am Fußball zusammen. Solange es das gibt, wird man auch viel Geld beispielsweise für TV-Übertragungen bezahlen und die Fans kommen ins Stadion. Wie es sich alles dann jetzt weiterentwickelt, muss man abwarten.
Fohlen-Hautnah: Und wie muss man sich generell den Arbeitstag von Dir vorstellen?
Martin Dahlin: Ich spreche viel mit Vereinen und natürlich mit meinen Spielern. Ich telefoniere mehrmals in der Woche mit ihnen und kümmere mich um ihre Anliegen oder auch Probleme. Das sehe ich auch als meine Aufgabe an. Zudem bin ich viel unterwegs und habe natürlich auch Scouts, die sich viele Fußballspiele in unterschiedlichen Ländern anschauen und nach neuen, interessanten Spielern Ausschau halten. Ich habe jeweils einen Scout in Island, Norwegen, Dänemark und Finnland, dazu zwei Scouts in Schweden. Wir sind aber nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt aktiv, sprechen mit Vereinen und kontaktieren Spieler bei denen wir der Meinung und überzeugt sind, dass sie das Potenzial haben, sich zu entwickeln und im Profifußball Fuß zu fassen.
Fohlen-Hautnah: Der Spielermarkt ist hart umkämpft. Die Top-Talente werden immer früher unter Vertrag genommen. Wie gehst Du da die Spielersuche an?
Martin Dahlin: Wir warten meistens, bis die Spieler 16 oder 17 Jahre alt sind. Aber ich merke auch, dass die Konkurrenz mittlerweile schon mit 13-jährigen Spielern ins Gespräch geht. So was kommt für mich in dem Alter nicht infrage. Wir werden mit einem Spieler, der noch so jung ist, niemals Kontakt aufnehmen und ihn auch nicht unter Vertrag nehmen. Irgendwo sind Grenzen.
Fohlen-Hautnah: Die Corona-Pandemie macht auch vor dem Fußball nicht halt. Das dürfte die Arbeit als Spielerberater sicherlich nicht einfacher machen…
Martin Dahlin: Aktuell dürfen keine Zuschauer ins Stadion und auch wir können uns keine Spiele live anschauen. Das ist natürlich sehr schade, weil es einerseits Spaß macht und man andererseits so keine neuen Spieler live schauen kann. Dazu ist die Krise allen voran auch nicht gut für die Klubs, sie haben weniger Geld zur Verfügung, um neue Spieler zu verpflichten.
Fohlen-Hautnah: Zu Deiner Tätigkeit als Spielerberater hast Du ein eigenes Modelabel herausgebracht. Wird das noch vertrieben und wie zufrieden bist Du damit?
Martin Dahlin: Das ist richtig. Ich habe das Label bereits seit 1994. Aktuell läuft das Business nicht so gut, weil die Wirtschaft in Schweden auch unter Corona leidet. Aber ansonsten läuft es sehr gut, ich bin zufrieden. Das Modelabel heißt ‚Dahlin by Eberstal‘.
Fohlen-Hautnah: Kommen wir mal zu Borussia Mönchengladbach. Die Borussia war Deine längste Station und erfolgreichste als Profi. Wie schaust Du auf diese Zeit zurück?
Martin Dahlin: Die Zeit bei Borussia war wunderschön. Wir hatten eine gute Mannschaft und ich bin sehr stolz, ein Teil von ihr gewesen zu sein.
Fohlen-Hautnah: Der DFB-Pokalsieg jährt sich in diesem Jahr zum 25.-Mal. Was für Erinnerungen hast Du noch an das Spiel?
Martin Dahlin: Der Pokalsieg mit der Borussia bedeutet mir und dem gesamten Verein sehr viel. Ich konnte mit einem Tor zum Pokalsieg beitragen. Ich werde dieses Spiel nie vergessen und habe an das Spiel und auch an die Feierlichkeiten danach natürlich nur schöne Erinnerungen. Wenn ich jetzt wieder daran denke, bekomme ich Gänsehaut und bin stolz, dass ich dabei gewesen bin.
Fohlen-Hautnah: Erst kürzlich haben Dich die Fans anlässlich des 120. Geburtstag des Klubs in die Mannschaft der 1990er-Jahre gewählt. Was bedeutet Dir das?
Martin Dahlin: Dass die Fans mich in dieses Team gewählt haben, ist natürlich eine große Ehre für mich. Herzlichen Dank dafür an sie. Ich habe es immer geliebt, vor unseren Fans zu spielen und habe sie in toller Erinnerung.
Fohlen-Hautnah: Verfolgst Du das Geschehen der Borussia heute noch und hast Du noch Kontakt zum Klub?
Martin Dahlin: Natürlich. So wie ich Zeit habe, schaue ich mir die Spiele der Borussia an. Ich spreche oft mit Max Eberl und den Scouts der Borussia.
Fohlen-Hautnah: Seit Deinem Weggang hat sich sportlich, wirtschaftlich und auch infrastrukturell sehr viel getan im Klub. Wie bewertest Du die tolle Entwicklung der Borussia?
Martin Dahlin: Ich finde es sehr imponierend, wie sich der ganze Verein über die Jahre entwickelt hat und dass die Mannschaft in der Bundesliga seit Jahren eine Spitzenmannschaft ist und oben um die internationalen Plätze mitspielt. Mönchengladbach ist eine relativ kleine Stadt und da ist es beeindruckend, was man da für eine tolle Arbeit macht. Max Eberl und sein Team inklusive dem Präsidium machen einen herausragenden Job und haben dazu beigetragen, dass der Verein jetzt da ist wo er ist und jedes Jahr um die ersten fünf Plätze mitspielt. Das ist toll und beeindruckend. Und dass Bayern München Interesse an Max Eberl gehabt hat, hat mich nicht überrascht. Für mich ist Max einer der besten Sportdirektoren in der Bundesliga.
Fohlen-Hautnah: In der Königsklasse hat Borussia in einer starken Gruppe bisher gut mitgehalten. Hast Du die Spiele verfolgt und was ist für Borussia in der Champions League und in der Bundesliga möglich?
Martin Dahlin: Bisher hat Borussia in der Champions League auf sich aufmerksam gemacht. Schade, dass sie gegen Madrid und Inter Mailand Punkte verschenkt haben. Aber gegen Donezk haben sie es herausragend gemacht. Ich glaube fest daran und drücke die Daumen, dass sie ins Achtelfinale kommen.
Fohlen-Hautnah: Wie bewertest du Deine heutigen Nachfolger in der Offensive der Borussia Marcus Thuram und Alassane Plea?
Martin Dahlin: Beide sind sehr gute Stürmer, die noch viel Potenzial haben. Ich hoffe, dass sie lange bei Borussia bleiben und viele Tore für den Verein schießen. Aber so, wie sie schon jetzt drauf sind und spielen, wird es wohl schwer, sie längerfristig zu halten.
Fohlen-Hautnah: Du kennst Dich also vor allem auch mit Spielern aus Skandinavien aus. Welches Talent und/oder Spieler würdest Du Max Eberl denn aktuell empfehlen?
Martin Dahlin: Matthias Norman. Er ist 24 Jahre jung, norwegischer Nationalspieler und spielt in Russland bei FK Rostov (Vertrag bis 2024, Marktwert 10 Millionen Euro, Anm.d.Red.). Er ist in der letzten Saison zum besten Mittelfeldspieler in Russland gewählt worden. Matthias ist durchaus ein interessanter Spieler und würde sehr gut zu Borussia passen.
Fohlen-Hautnah: Bisher spielt in Sebastian Andersson lediglich einer Deiner Spieler in der Bundesliga. Woran liegt das und wird sich das alsbald ändern?
Martin Dahlin: Ich hoffe natürlich, dass bald noch mehr meiner Spieler und generell mehr Skandinavier in Deutschland spielen werden. Aber es ist nicht so einfach, nach Deutschland zu kommen. Die Bundesliga ist eine starke Liga und gehört zu den Top-Ligen in der Welt. Da muss man schon sehr gute Leistungen bringen, um in der Bundesliga spielen zu können.
Fohlen-Hautnah: Kannst Du Dir abschließend auch vorstellen, mal für Borussias Traditionsmannschaft, der Weisweiler Elf aufzulaufen?
Martin Dahlin: Das würde ich gerne machen und hätte ich auch bestimmt schonmal getan, aber bei mir tut alles weh (lacht). Mein Körper spielt da leider nicht mehr mit.