Dass Borussia Mönchengladbach gegen Bayer Leverkusen eine gleichermaßen derbe und bittere Klatsche kassierte, lag vor allem daran, dass man es versäumte, nach der frühen Führung nachzulegen und nach dem Seitenwechsel völlig einbrach und von der eiskalten Werkself überrollt wurde. Die Fohlenelf lahmte gewaltig und ging naiv zu Werke. Das wirft Fragen auf und ist nur schwer zu erklären.
Wirft man einen Blick auf die Spieldaten ist es hanebüchen und unfassbar, dass Borussia Mönchengladbach gegen Bayer Leverkusen vom Ergebnis her als klarer Verlierer den Platz verlassen hat. 19:13 Torschüsse, 58 Prozent Ballbesitz, 53 Prozent gewonnene Zweikämpfe und eine Passquote von fast 90 Prozent sind starke Werte, die eigentlich für einen Sieger sprechen.
Dass das bei den Borussen nach dem Spiel gegen Leverkusen nicht der Fall ist, liegt vor allem an der desaströsen zweiten Halbzeit. »Wir waren uns nicht zu sicher, dass wir dieses Spiel schon gewonnen haben – überhaupt nicht. Nur wie wir es dann in der zweiten Halbzeit umgesetzt haben, das war schlecht«, redete Yann Sommer nicht um den heißen Brei herum. »Wir sind unheimlich enttäuscht, wie wir in der zweiten Hälfte gespielt haben. Ein Spiel kannst du immer verlieren. Aber nicht so, wie wir das heute gemacht haben«.
»Sie haben uns mit ihren schnellen Leuten den Arsch aufgerissen«
Absolut. Die Fohlen haben sich nach der Pause die Butter vom Brot nehmen lassen und liefen vor allem nach dem Ausgleich völlig planlos nach vorne. Binnen weniger Minuten schenkte Bayer den Borussen drei Gegentore ein. »Sie haben uns mit ihren schnellen Leuten den Arsch aufgerissen«, fand Max Eberl deutliche Worte. »Jeder Schuss war dann im Grunde ein Treffer. Wir haben sie durch unsere Fehler wieder ins spiel gebracht«.
In der Tat. Erst patzte Yann Sommer beim Ausgleich und segelte nach einer Ecke ins Leere, dann verloren Lars Stindl, Mickael Cuisance und Nico Elvedi die Kugel in der Vorwärtsbewegung – Leverkusen nutzte diese gravierenden Fehler und brachte sich auf die Siegerstraße.
»Da haben wir einfach schlecht verteidigt, Räume frei gegeben, dreimal Bälle ins Zentrum gespielt und dreimal darüber das Tor bekommen. Das ist zu einfach«, ärgerte sich Eberl zu Recht. »Wir lagen schon 1:3 hinten und haben gemerkt, dass jeder Schuss Torgefahr in die andere Richtung bedeutet hat. Da müssen wir schlauer sein und da erwarte ich, dass wir uns als Mannschat erst mal wieder sammeln«.
Doch eben genau das Gegenteil war der Fall. Nach dem 1:2 wurde völlig die Ordnung verloren, Leverkusen konnte sich freischwimmen und nahm die Borussen auseinander. Dabei hätte es zur Pause oder spätestens kurz danach schon mindestens 2:0 für die Fohlenelf stehen müssen. Denn bis dahin boten die Borussen eine starke Partie mit zahlreichen Torchancen, die aber eben nicht genutzt wurden. »In der ersten Halbzeit haben wir eine Top-Leistung gezeigt. Wir hatten mehrere Chancen, um die Führung auszubauen«, sagte Nico Elvedi.
»Die wohl beste Halbzeit« selbst zerstört
»Wir haben in der ersten Halbzeit die wohl beste Halbzeit dieser Saison gespielt. Wir hatten Kontrolle im Spiel und haben zum Teil begeisternd kombiniert. Zudem hatten wir drei, vier hochkarätige Torchancen, durch die wir die Führung hätten ausbauen können«, stimmte Dieter Hecking zu.
»Wenn wir das 2:0 machen, weiß ich nicht, ob sie noch mal aufstehen«, meinte Eberl in Bezug auf die Werkself, die durch die Borussen wieder aufgebaut wurde.
»Das, was uns in der zweiten Halbzeit dann passiert ist, darf uns nicht passieren. Wir haben zu viele unnötige Fehler gemacht, die zu den Gegentoren führten«, haderte Elvedi. »Leverkusen hat aus jeder Chance ein Tor gemacht«.
»Nach dem 1:1 sind wir komplett zusammengebrochen und haben uns auskontern lassen. Einen Gegentreffer kann man immer mal bekommen. Aber wir haben dann komplett die Räume aufgemacht und aufgehört Fußball zu spielen«, sagte Sommer. »Die Sicherheit und der Mut waren plötzlich weg. Wir waren auch nicht mehr so kompakt. Gegen eine solche Mannschaft wie Leverkusen wird das bestraft«.
»Das müssen wir nun knallhart ansprechen«
»Das große Manko war heute unsere Chancenverwertung. Wir hätten zur Pause schon 2:0 führen müssen. Auch direkt nach Wiederanpfiff hatten wir Chancen, die Führung auszubauen. Stattdessen haben wir aber den Ausgleich kassiert. Danach haben wir uns in den Zweikämpfen den Schneid abkaufen lassen und sind eingebrochen«, so Matthias Ginter. »Leverkusen hat eigentlich nur auf Konter gewartet. Diese haben wir ihnen in der zweiten Halbzeit ermöglicht. In der zweiten Halbzeit ist alles schief gelaufen, was schief laufen konnte«.
Zusammenfassend kann man also festhalten: 1. Halbzeit bärenstark, 2. Halbzeit mauseschwach. Diese Leistungsschwankungen müssen schnell in den Griff bekommen werden, will man in der oberen Tabellenhälfte bleiben und sich dort festsetzen. »Eine gute Halbzeit reicht nicht. Wir hätten in der ersten Halbzeit zwei, drei Tore machen müssen – haben das aber nicht gemacht und sind dafür dann bestraft worden«, so Stindl und fand deutliche Worte: »Wir hatten nach der Pause zu viele leichte Ballverluste und haben uns zu leicht auskontern lassen. Das darf uns nicht passieren, und das müssen wir nun knallhart ansprechen. Denn wenn wir uns weiterentwickeln wollen, müssen wir das abstellen«.
Ziel Achtelfinale
Und das schon am kommenden Dienstag, wenn es im DFB-Pokal bei Fortuna Düsseldorf um den Einzug ins Achtelfinale geht. Keine einfache Aufgabe gegen einen Klub, der derzeit die 2. Liga aufmischt und von der Tabellenspitze grüßt. »Für mich fahren wir zu einem Verein, der ein Stück weit auf Augenhöhe spielt, der gerade einen herausragenden Lauf hat und der in der die 2. Liga dominiert«, warf Eberl die Blicke nach vorne. »Wir müssen uns gegen die Atmosphäre und die Galligkeit der Fortuna besser wehren, als wir es heute in der zweiten Halbzeit getan haben«.
»Fortuna hat 28 Punkte und wir haben gerade eine bittere Heimniederlage eingefahren. Aber wir haben natürlich die Chance, im nächsten Spiel wieder was gut zu machen«, so der Sportdirektor weiter. »Heute sollten alle nach Hause gehen und sich Gedanken machen. Und dann müssen wir uns auf Fortuna vorbereiten«.
»Jetzt müssen wir die Köpfe nach oben nehmen, das Spiel gut analysieren und dann ist am Dienstag ein anderer Wettbewerb. Wir wollen unbedingt eine Runde weiter kommen«, gab Sommer die Parole aus und versprach: »Und dafür werden wir alles tun«. Das wird gegen eine aufstrebende und mit breiter Brust aufspielende Fortuna auch von Nöten sein…