Favorisiert in 2024/25 wieder die Viererabehrkette: Gerardo Seoane Foto: Dirk Päffgen.
Rot-verschwitzte Gesichter, das Klatschen umherfliegender Bälle und heitere Gespräche am Spielfeldrand: Auch in diesem Jahr war Borussia Mönchengladbach in Rottach-Egern am Tegernsee zu Gast, um sich auf die neue Saison vorzubereiten. Erstmalig dabei waren die drei Neuzugänge Phillip Sander, Kevin Stöger und Tim Kleindienst. Vor den Gipfeln der bayerischen Voralpen genossen die Spieler optimale Bedingungen unter strahlend blauem Himmel. Welche Erkenntnisse und Schlüsse konnte man aus Trainingslager und Testspielen ziehen? Eine Analyse.
Erst die Arbeit, dann die Abkühlung
Fit werden für die Saison, in Kontakt treten mit Fans und Presse und als Mannschaft zusammenwachsen – die Anforderungen an ein Trainingslager sind vielfältig. Im Vordergrund stehen jedoch körperliche und geistige Fitness, die in der Bundesliga über Sieg oder Niederlage entscheiden. So begann der erste Trainingstag mit zwei 90-minütigen Einheiten, um auf Betriebstemperatur für die anstehenden Tage zu kommen. Erstmalig dabei waren die drei Neuzugänge Phillip Sander, Kevin Stöger und Tim Kleindienst. Auch Youngster wie Kilian Sauck, Niklas Swider und Tiago Pereira Cardoso begleiteten die Profis im einwöchigen Trainingslager.
Übungen zu Passspiel, Ballführung, Kopfballspiel und Läufen gehören zum Einmaleins jedes Fußballteams. Während die Torhüter mit Borussias neuem Torwarttrainer André Wachter individuell arbeiteten, legte Gerardo Seoane den Fokus auf das Positionsspiel. Zunächst ging es im Zehn-gegen-Zehn um Ballbesitz und das Überspielen von Zonen. Anschließend teilten sich die Spieler positionsgemäß in Gruppen auf und führten spezifische Übungen aus. So fokussierte sich die Offensivabteilung auf Torabschlüsse, während Außen- und Innenverteidiger die Spieleröffnung trainierten. Die Mittelfeldspieler feilten am sicheren Ballbesitz.
So ging es an den darauffolgenden Tagen weiter. Spielformen, Stabilisations-Übungen und das beliebte „Fußball-Tennis“ standen auf dem Plan. Am letzten Tag wurde noch einmal die körperliche Fitness durch schweißtreibende Läufe auf die Probe gestellt. Davon blieben auch die Torhüter nicht verschont – bei Borussia ziehen schließlich alle an einem Strang, um die vergangene Saison wiedergutzumachen. Das glänzende Nass des Tegernsees lud anschließend zur Abkühlung ein. Die war auch nötig, denn zwischen Trainingseinheiten und Testspielen durften Ruhemomente nicht zu kurz kommen.
Die Viererkette steht – wer bekleidet die Sechser-Positionen?
Anhand der Testspiele konnten Beobachter erstmalig in Seoanes Karten für die neue Saison schauen. Ein gemeinsamer Nenner bei allen Auftritten: die Viererkette in der Abwehr. Während Seoane personell viel rotierte, blieb die Grundformation gleich: Vier Abwehrspieler, zwei Sechser, ein Zehner, zwei Flügelspieler und ein Neuner. Keine Dreier- und Fünferketten-Experimente mehr. Hinten scheinen Scally, Itakura und Netz gesetzt. Im derzeit unwahrscheinlichen Fall, dass Elvedi bleibt, wäre wohl er der zweite Innenverteidiger.
Spannender ist es auf der Sechser-Position. Her ist der Konkurrenzkampf größer denn je – als unangefochtene Stammkraft kann niemand bezeichnet werden. Seoane probierte neben den ‚üblichen Verdächtigen‘ Weigl, Reitz und Sander auch Leih-Rückkehrer Oscar Fraulo im Mittelfeld-Zentrum aus. Auch wenn letzterer sich vorerst hintenanstellen dürfte, sollte man ihn auf dem Zettel haben, wie das Beispiel Rocco Reitz im vergangenen Jahr gezeigt hat.
Zwischen seinen Kollegen herrscht derweil ein Dreikampf über zwei offene Plätze. Das Zünglein an der Waage könnte die bevorstehende Vergabe der Kapitänsbinde beziehungsweise die Besetzung des Mannschaftsrats sein. Letzterem könnten bald zwei weitere Neuzugänge angehören, die seit den Testspielen zweifelsfrei zur ersten Elf gehören.
Stöger und Kleindienst gesetzt, auf den Flügeln wird es kniffliger
Es hat wohl niemanden überrascht, dass Kevin Stöger und Tim Kleindienst wenig Anlaufzeit gebraucht haben. Vor allem vom Kampfgeist der beiden Neuzugänge konnten sich Testspiel-Beobachter überzeugen. Stöger war bereits Dreh- und Angelpunkt im Mittelfeld. Der Österreicher füllte seine Rolle als Spielmacher mit all seiner Routine aus. Drehbuchmäßig servierte Stöger seinem Mitspieler Kleindienst dessen Premierentor im Spiel gegen den Ipswich-Nachwuchs, diese beiden haben sich bereits gefunden.
Weniger klar ist die Besetzung der Flügel. Es wäre verwunderlich, wenn Franck Honorat und Alassane Plea auf der Bank Platz nehmen müssten. Auch in den Tests gegen Holstein Kiel und Ipswich haben die Franzosen von Beginn an gespielt. Deshalb dürften sie für den Auftakt im DFB-Pokal in der Startelf stehen, wenn Borussia bei Drittligist Erzgebirge Aue gastiert (17.08.2024, 13:00 Uhr). Ein weiteres Plus: Honorat ist Rechtsfuß, Stöger Linksfuß. Folglich werden Standards und Flanken aus dem Spiel gefährlicher, mit Kleindienst gibt es den idealen Abnehmer.
Unterdessen müssen Tomáš Čvančara und Nathan Ngoumou in diesem Jahr zeigen, dass sie das Potential für die erste Elf mitbringen. Dank der Rotation kamen die beiden auf ausreichend Spielzeit in der Vorbereitung, scheinen aber in der Verfolgerrolle zu sein. Und sofern Kleindienst fit bleibt, wird es im Sturmzentrum keine Möglichkeit für Čvančara geben.
Grant-Leon Ranos zeigt sich
Zusätzlich war Grant-Leon Ranos eine Alternative für den rechten Flügel, als er Borussia gegen Kiel mit dem einzigen Tor des Spiels zum Sieg schoss. Letztes Jahr mit Verletzungspech, will der Armenier in diesem Jahr deutlich mehr Spielzeit erhalten. Und dann gibt es noch Robin Hack, Borussias besten Torschützen der abgelaufenen Saison, der das Trainingslager aufgrund eines Infekts verpasste. Gerüchte um einen Wechsel nach Stuttgart haben sich zerschlagen; nach aktuellem Stand dürfte Hack am Niederrhein bleiben. Angesichts seiner Leistungsexplosion in der Rückrunde wird sich der 25-Jährige wohl kaum mit einer Reservistenrolle begnügen. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass Plea auf der Bank Platz nehmen wird, sobald Hack wieder fit ist. Schließlich kann der Franzose auch auf der Zehn spielen, wie zuletzt im Test gegen Ipswich, nachdem Plea als Folge der Stöger-Auswechslung zur Halbzeit ins Zentrum rückte und Ngoumou den linken Flügel bekleidete.
Spannung bleibt bis zum Saisonauftakt
Gelingt Borussia durch die Viererkette mehr Stabilität? Kann Sander bereits Weigl oder Reitz verdrängen? Beliefern Honorat und Stöger Kleindienst ausreichend mit Flanken? Oder braucht es mehr Geschwindigkeit auf den Flügeln, wofür am ehesten Nathan Ngoumou infrage kommt?
Letztlich werden alle Startelf-Rätsel erst zum Bundesligaauftakt gegen Bayer Leverkusen (23.08.2024, 20:30 Uhr) beantwortet werden. Und auch danach gilt: Durch entsprechende Trainingsleistungen kann sich jeder für die erste Elf empfehlen. Es bleibt zu hoffen, dass alle Spieler gesund bleiben, sodass Seoane und Co. wöchentlich vor der „Qual der Wahl“ stehen.