
Bei Borussia Mönchengladbach gehört Patrick Herrmann zu den Spielern, die man im heutigen Fußball-Business durchaus als ‚außergewöhnlich‘ bezeichnen darf, weil er eben seit mittlerweile dreizehn Jahren im Klub ist. Im Gespräch mit unserer Redaktion spricht der 30-Jährige unter anderem über die Krise der letzten Wochen, seine Rekord-Einsätze für den Verein und über seine Zukunftspläne. Außerdem verrät uns ‚Flaco‘ auch, was er mit der Pappfiguren-Aktion zu tun hat.
Fohlen-Hautnah: Patrick, hinter dem Verein liegen sportlich schwere Wochen. Wie groß war da die Erleichterung nach dem Sieg gegen Schalke und wie schaust Du eben auf die angesprochenen zurückliegenden Wochen zurück?
Patrick Herrmann: Allgemein muss man natürlich sagen, dass die Ergebnisse nicht gestimmt haben. Wir haben kein Spiel gewonnen. Dass sich das dann in der Tabelle bemerkbar macht und von außen eine gewisse Unruhe in den Verein getragen wird, ist klar. Ich muss aber auch sagen, dass die Spiele nicht so schlecht waren. Es war nicht so, dass wir die Spiele chancenlos und völlig verdient verloren haben. Im Gegenteil. Die Spiele standen oft auf der Kippe. Wir haben oft in den Schlussminuten Gegentore bekommen, die uns dann Punkte gekostet haben. Es stimmt ein Stück weit positiv, dass die Leistungen meist in Ordnung waren, die Ergebnisse aber eben nicht. So waren wir natürlich sehr erleichtert, dass wir auf Schalke das positive Ergebnis bekommen haben.
Fohlen-Hautnah: Wie ist denn eine solche Ergebnis-Krise, wie ihr sie hattet, zu erklären?
Patrick Herrmann: Natürlich muss man sagen, dass es auch im Spiel Fehler gibt, die dann eben zu Gegentoren führen. Aber Fehler sind menschlich. Wenn man in einer solchen Phase, in der man viele Spiele verliert drin ist, dann ist es schwer, da rauszukommen und sich rauszuarbeiten. Das geht nur über Leistung. Und wie schon gesagt: Die hat oft gestimmt, aber die Ergebnisse einfach nicht. Es fehlte das I-Tüpfelchen, dass wir die Dinger selber reinmachen und die Spiele selbst gewinnen, um die Trendwende einzuleiten. Deshalb sind wir sehr froh, dass uns das auf Schalke gelungen ist. Dazu muss man sagen, dass wir es in der Phase mit den vielen Niederlagen auch zweimal mit Manchester City, eine der besten Mannschaften in Europa, mit Leipzig und zweimal mit Borussia Dortmund zu tun hatten. Also es waren schon Hochkaräter dabei, mit denen wir es zu tun hatten.
Fohlen-Hautnah: Von einem Teil der Fans gab es in den letzten Wochen Kritik an Marco Rose. Viele sind von der Entscheidung und der Art und Weise von Marco Rose enttäuscht. Kannst Du das nachvollziehen?
Patrick Herrmann: Es ist immer einfach zu sagen, der ist schuld oder der ist schuld. Ich kann das in keiner Weise bestätigen. Es hat sich an der Arbeit nach der Entscheidung von Marco Rose absolut gar nichts geändert. Wir alle wollen immer noch alle Spiele gewinnen und geben unser Bestes. Der Trainer stellt die Mannschaft auf. Wir als Mannschaft haben dann in den Spielen unsere Leistung einfach nicht zu 100 Prozent gebracht. Es waren gute Spiele dabei, wo das Tor gefehlt hat und dann hinten irgendwie noch einer reinfällt. Da sind wir dann in der Pflicht, uns an die eigene Nase zu fassen und das nicht auf den Trainer zu schieben, wie es in der Öffentlichkeit gemacht wird, weil es die einfachste Ausrede ist. Ich sehe das nicht als Grund und will das auch nicht als solchen anführen.
Fohlen-Hautnah: Was waren denn Deine ersten Gedanken, als Marco Rose euch seine Entscheidung mitgeteilt hat?
Patrick Herrmann: Es gab da jetzt keine große Diskussion oder Reaktion. Jeder geht ja auch anders mit so etwas um. Ich persönlich kann die Entscheidung nachvollziehen. Im Fußball ist es Gang und Gäbe, dass Spieler kommen und gehen. Ich bin jetzt in meinem 13. Jahr bei Borussia und da hat sich, bis auf Tony Jantschke und Oscar Wendt, der uns ja jetzt auch verlassen wird, fast die ganze Kabine neu besetzt. Von daher kenne ich das. Jetzt gibt es eben mal einen Trainer, der gesagt hat, dass er den nächsten Schritt machen möchte. Das hat man dann zu akzeptieren. Ich denke eher daran zurück, dass wir dann zusammen eine gute Zeit hatten. Natürlich wollen wir diese Saison noch zu einem guten Abschluss bringen. Und dann denkt man daran zurück, dass Marco Rose bei Borussia einfach auch gute Arbeit geleitet hat.
Fohlen-Hautnah: Die Trainersuche für einen Nachfolger von Marco Rose ist im vollen Gange. Zuletzt war Xabi Alonso ja nahezu schon der neue Trainer. Beschäftigt euch generell die Trainerfrage in der Kabine?
Patrick Herrmann: (lacht). Das habe ich auch gelesen. Generell erfahren wir es auch erst, wenn es soweit ist. Also wir bekommen da vorab keine Insider-Informationen und wissen nicht schon vorher, mit wem Max Eberl spricht und wer der neue Trainer wird. Wir lassen es auf uns zukommen und nehmen den Trainer, der kommt. Max Eberl wird auch da wieder eine gute Entscheidung treffen. Wir warten ab und sind gespannt.
Fohlen-Hautnah: Nach dem Sieg gegen Schalke herrscht zumindest etwas Ruhe. In der Tabelle seid ihr zumindest von Platz 6 nur vier Punkte entfernt. Ihr greift also noch mal an…
Patrick Herrmann: Das werden die nächsten Spiele zeigen. Wir hatten jetzt echt eine lange Durststrecke und waren von vielen Medien abgeschrieben. Jetzt haben wir einen Sieg gelandet und sind auf einmal gar nicht mehr so weit weg. Wir haben noch neun Spiele, aus denen wir so viele Punkte wie möglich holen wollen. Die nächsten Spiele werden extrem richtungsweisend. Ich bin selber gespannt. Aber natürlich werden wir alles geben, um in der Tabelle so weit wie möglich nach oben zu rücken. Mit dem Platz, auf dem wir jetzt stehen, geben wir uns aber auf keinen Fall zufrieden.
Fohlen-Hautnah: Mittlerweile bist Du 13 Jahre im Klub und bei den Fans beliebt. Was ist beides für Dich?
Patrick Herrmann: Eigentlich alles, das muss ich ehrlich sagen. Mönchengladbach ist mittlerweile meine Heimat. Ich fühle mich in der Stadt und bei Borussia verdammt wohl. Für mich ist es immer wieder ein tolles Gefühl, im Borussia-Park auflaufen zu dürfen. Auch wenn es mal nur für eine kurze Zeit ist. Ich gebe einfach immer alles und freue mich auf jedes Spiel. Es ist schon ein Gemeinschaftsgefühl, wenn die Fans im Stadion sind. Ich glaube, auch die Fans würdigen, dass Tony Jantschke und ich schon so lange im Verein sind, weil das im Fußball mittlerweile nicht mehr normal ist. Ich möchte das auch nicht missen sondern bin froh, dass ich schon so lange im Verein bin und sein darf. Ich kann mir auch nichts Besseres vorstellen.
Fohlen-Hautnah: Weil Du es ansprichst. Dein aktueller Vertrag läuft noch bis Sommer 2022. Kannst Du Dir vorstellen, deinen Vertrag nochmal zu verlängern oder ziehst Du auch in Erwägung, zum Ende Deiner Karriere nochmal etwas Anderes zu machen und gab es generell schon Gespräche mit Max Eberl?
Patrick Herrmann: Das muss man abwarten und ist momentan auch schwer zu sagen. Es spielt natürlich auch eine Rolle, wie es unter dem neuen Trainer für mich läuft. Aber nach so langer Zeit will ich eigentlich gar nicht weg. Aber wie gesagt: Es ist noch zu früh, um abzuschätzen, wie es im nächsten Jahr weitergeht. Insofern hat es auch noch keine Gespräche mit Max gegeben.
Fohlen-Hautnah: Wie wichtig war es in deinen Augen, dass Max Eberl seinen Vertrag bei Borussia verlängert hat?
Patrick Herrmann: Das war enorm wichtig. Max macht seit einer gefühlten Ewigkeit einen überragenden Job bei Borussia und hat den Verein mit seinen Transfers mit dahingeführt, wo er jetzt steht. Es ist auch sein Verdienst und ein verdammt gutes Zeichen, dass Nico Elvedi seinen Vertrag verlängert hat. Er war wahrscheinlich in der Bundesliga und weit darüber hinaus begehrt, weil er in meinen Augen einfach ein talentierter und überragender junger Spieler ist. Dann tut es immer gut und man freut sich mit, wenn solche Spieler den Weg von Borussia sehen und verlängern.
Fohlen-Hautnah: Apropos Karriereende. Gibt es schon Überlegungen, was Du dann machen möchtest?
Patrick Herrmann: Erstmal möchte ich noch ein paar Jahre Fußball spielen und konzentriere mich weiter auf meine Karriere. Aber natürlich habe ich für die Zeit danach auch schon ein, zwei Gedanken im Hinterkopf. Fakt ist einfach, dass man dem Fußball in irgendeiner Form erhalten bleiben will, wenn man so viele Jahre mit ihm als Profi verbracht hat. Wie genau, weiß ich aber noch nicht. Dafür ist es jetzt noch zu früh.
Fohlen-Hautnah: Bisher hast du 293 Bundesligaspiele absolviert, alle für Borussia. Insgesamt sind es 357 Einsätze womit Du in der Klub-Historie auf Platz 8 stehst und dabei auch Günter Netzer überholt hast. Fakten, die Dich stolz machen dürften und womit Du zu Beginn deiner Zeit bei Borussia nicht gerechnet hast?
Patrick Herrmann: Gewiss nicht. Als ich 2008 hierher gekommen bin war es immer mein Traum, im Borussia-Park auflaufen zu dürfen. Da habe ich nicht ansatzweise daran gedacht, dass ich erstens so lange im Verein bleibe und zweitens so viele Spiele machen werde. Wenn mir das damals jemand gesagt hätte, hätte ich den wohl für verrückt erklärt. Mich freut das extrem und macht mich absolut stolz. Es macht Spaß, ein Teil vom Klub und dem bisher Erreichten zu sein.
Fohlen-Hautnah: Kommen wir mal zur Nationalmannschaft. Du hast bisher zwei Spiele im DFB-Trikot absolviert. Glaubst Du, dass da noch weitere hinzukommen oder hast Du das Thema für Dich abgehakt?
Patrick Herrmann: Ich glaube, um in der Nationalmannschaft spielen zu können, muss man im Verein absoluter Stammspieler sein und konstant sehr gute Leistungen bringen. Dann hat man es auch verdient, dort zu spielen. So wie Florian Neuhaus, Matthias Ginter und Jonas Hofmann. Für die drei freut es mich wirklich sehr. Und das sage ich nicht einfach so, sondern ich meine das auch so. Es freut mich von Herzen, wenn die drei Ländersiele absolvieren. Ich weiß selber, was das für ein tolles Gefühl ist, für sein Land zu spielen. Für mich sind die beiden Spiele mit dem Adler auf der Brust bis heute ein Riesen Karriere-Highlight. So etwas vergisst man sein ganzes Leben nicht. Es ist schön, dass die drei dabei sind. Für mich steht Borussia ganz oben. An die Nationalmannschaft denke ich im Moment gar nicht. Ich möchte erstmal bei Borussia meine Leistung bringen und Gas geben.
Fohlen-Hautnah: Nach der Länderspielpause kommt der SC Freiburg in den Borussia-Park. Was erwartest Du da für eine Aufgabe und wie müsst ihr das angehen, um die Punkte bei euch zu behalten?
Patrick Herrmann: In Freiburg tun wir uns bekanntermaßen immer schwer. Deshalb ist es ganz gut, dass sie jetzt in den Borussia-Park kommen. Generell spielt Freiburg auch eine super Saison, gerade auch spielerisch sind sie stark. Sie schießen viele schöne Tore und arbeiten viel. Sie kommen viel über Zweikämpfe. Da müssen wir dagegenhalten. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir eine gute Mannschaft auf dem Platz haben werden, die das Spiel gewinnen kann und hoffentlich auch wird. Wenn wir sie schlagen, können wir an ihnen vorbeiziehen. Das ist natürlich auch ein Ansporn.
Fohlen-Hautnah: Seit Jahren wirst Du bei Borussia Flaco, was soviel bedeutet wie der „Dürre“, genannt. Den Namen hat Dir bekanntlich Juan Arango gegeben. Hast Du noch Kontakt zu Deinem Spitznamengeber?
Patrick Herrmann: (lacht). Genau, das war der gute Juan. Das werde ich auch nie vergessen. Ich war noch nicht so lange bei den Profis und saß nach dem Duschen in der Kabine. Auf einmal kam Juan und sagte Flaco zu mir, was keiner so richtig verstanden hat. Dann kam aber Dante und hat sich kaputt gelacht, weil er das irgendwie verstanden hat. Ich habe dann gefragt, was das heißt und sie haben es mit der ‚Schmächtige’ übersetzt. Das wurde dann aufgenommen und seit dem ist der Name da und geht nicht mehr weg. Wenn mich schon mal Leute fragen, was denn Flaco heißt, dann sage ich immer der Muskulöse (lacht). Das glaubt natürlich kaum einer und dann rücke ich auch meistens mit der Wahrheit raus. Ich bin ihm für den Namen aber ganz dankbar, er wurde ja gut aufgenommen. Mittlerweile nennen mich auch viele so und kennen mich unter diesem Spitznamen. Ich finde das ganz cool. Leider habe ich keinen Kontakt mehr zu ihm. Ich folge ihm aber auf Instagram und schaue, wo er gerade in der Welt so ist.
Fohlen-Hautnah: Zu Beginn der Corona-Pandemie gab es die Aktion mit dem Pappfiguren im Borussia-Park. Du hast Dir damals auch eine machen lassen…
Patrick Herrmann: Genau. Es war damals sogar meine Idee, dass wir uns als Mannschaft inklusive Trainerteam da in der Nordkurve verewigen. Ich habe mich dann mit dem Fanprojekt in Verbindung gesetzt. So sind wir alle ins Stadion gekommen und jeder durfte dann seine Pappfigur mit nach Hause nehmen. Im Stadion sah das cool aus und man hatte irgendwie das Gefühl, dass da doch Fans dabei waren, wenngleich natürlich die Geräuschkulisse fehlte.
Fohlen-Hautnah: Wenn Du drei Wünsche frei hättest. Welche wären das?
Patrick Herrmann: Dass es keinen Krieg mehr auf der Welt gibt und keine Armut. Dass kein Mensch mehr leiden muss, wären für mich die größten Wünsche. Fußballerisch würde ich mir wünschen, mal was Großes zu gewinnen, was man mal in der Hand halten kann.
Fohlen-Hautnah: Welche Schlagzeile möchte Patrick Herrmann am Ende der Saison lesen…
Patrick Herrmann: Das ist eine gute und schwierige Frage. Da würde ich sagen: „Trotz Ergebnis-Krise hat Borussia wieder in die Spur gefunden!“