Große Freude: Semir Telalovic traf bereits dreimal in vier Spielen. Foto: Heiko van der Velden/Amafuma.de
Im Januar diesen Jahres kam Semir Telalovic vom FV Illertissen zu Borussia Mönchengladbach. Mit einem Vertrag bis Sommer 2024 ausgestattet, will sich der Angreifer über die U23 der Fohlen für höhere Aufgaben empfehlen. Im Interview mit unserer Redaktion spricht der 22-Jährige unter anderem über seinen Wechsel, seine ersten Monate am linken Niederrhein und seine Zukunftspläne.
Fohlen-hautnah: Semir, du bist jetzt über ein halbes Jahr bei Borussia. Wie fällt dein Fazit der bisherigen Zeit aus und wie hast du dich eingelebt im Klub und in der Stadt?
Semir Telalovic: Sowohl bei Borussia als auch in der Stadt habe ich mich sehr gut eingelebt. Ich wurde von Beginn an von allen super aufgenommen. Das hat die Eingewöhnung nach dem Umzug aus Baden-Württemberg nach Nordrhein-Westfalen enorm erleichtert. Sportlich gesehen hatte ich mir im Winter natürlich etwas anderes erhofft. Ich hätte nicht gedacht, dass wir bis zum Schluss gegen den Abstieg aus der Regionalliga West kämpfen. Letztendlich haben wir aber zum Glück den Klassenverbleib geschafft und sind jetzt hochmotiviert, es in diesem Jahr besser zu machen als letzte Saison.
Fohlen-hautnah: Vom FV Illertissen zur zweiten Mannschaft eines Bundesligaklubs. Was ist anders und was sind die entscheidenden Unterschiede?
Semir Telalovic: Für mich war es ganz wichtig, dass ich unter Top-Bedingungen trainieren kann, um mich bestmöglich weiterentwickeln zu können. Das ist bei Borussia absolut der Fall und das war für mich dann auch das ausschlaggebende Argument für den Wechsel. Bei einem Bundesligaklub findet man einfach die besten und professionellsten Bedingungen vor.
Fohlen-hautnah: Du bist zunächst in ein Appartement des ‚Borussia-8-Grad‘ gezogen. Hast du mittlerweile eine eigene Wohnung bezogen?
Semir Telalovic: Ja, mittlerweile habe ich eine eigene Wohnung bezogen. Ich bin dem Verein dankbar, dass er mir die Möglichkeit gegeben hat, zunächst in einem Appartement im Borussia-Park wohnen zu können. Die Verantwortlichen haben mir auch alle Zeit dafür gegeben, eine eigene Wohnung zu finden. Die habe ich jetzt und ich fühle mich da auch sehr wohl.
Fohlen-hautnah: Bei deiner Vorstellung hast du davon gesprochen, dass dir von den Verantwortlichen ein Weg aufgezeigt wurde, der dich komplett überzeugt hat. Inwiefern und welche Strecken beinhaltet der Weg?
Semir Telalovic: Wie bereits erwähnt: Die Bedingungen bei Borussia sind einfach top, man kann hier unter professionellen Strukturen arbeiten und sich weiterentwickeln. Wenn man als U23-Spieler zu einem Bundesligaklub kommt, erhofft man sich natürlich auch, irgendwann einmal den Sprung zu den Profis zu schaffen. Es wäre gelogen, wenn ich etwas anderes sagen würde (lacht). Dahingehend muss man aber natürlich auch immer realistisch bleiben und alles dafür geben. Man muss für seine Chance sehr hart arbeiten und sie dann nutzen, wenn man sie bekommt.
Fohlen-hautnah: Vor deinem Wechsel wurdest du mit zahlreichen Profi-Klubs in Verbindung gebracht, hast bei Aue ein Probetraining absolviert. Du hättest also von vornherein auch höherklassig spielen können. Warum fiel schlussendlich die Entscheidung auf Borussia?
Semir Telalovic: Das stimmt. Ich hatte einige höherklassige Angebote und war auch bei Erzgebirge Aue im Probetraining. Aber Borussia hat sich von Anfang an sehr um mich bemüht, hat mir viel Vertrauen geschenkt und mir den besten Weg aufgezeigt. Das hat mir sehr imponiert und war bei anderen Vereinen nicht in der Form der Fall. Deshalb habe ich mich schließlich für den Wechsel zu Borussia entschieden.
Fohlen-hautnah: Du hast auch davon gesprochen, dass Heiko Vogel mit ausschlaggebend für dich war, nach Gladbach zu kommen. Dein neuer Trainer heißt nun Eugen Polanski. Ändert das etwas an deiner Sichtweise und wie ist die Arbeit unter ihm, wenn du die mal mit deinem vorherigen Coach vergleichst…
Semir Telalovic: Tatsächlich hatte ich viele gute Gespräche mit Heiko Vogel, die mit ausschlaggebend dafür waren, dass ich mich für den Wechsel zu Borussia entschieden habe. Menschlich habe ich mich super mit ihm verstanden und sportlich hat er mir gleich sein Vertrauen geschenkt. Eugen Polanski lässt uns nun sehr mutigen Fußball spielen, er möchte, dass wir große Präsenz zeigen auf dem Platz. Ich denke, dass das auch immer der Anspruch von Borussia Mönchengladbach sein sollte. Diese Art von Fußball spricht mich enorm an. Die Arbeit unter Eugen Polanski gefällt mir sehr und macht unheimlich großen Spaß.
Fohlen-hautnah: In der letzten Spielzeit musstet ihr bis zum Schluss um den Klassenerhalt kämpfen. Aktuell habt ihr nach vier Spielen vier Punkte auf dem Konto. Wie bewertest du diesen Saisonstart?
Semir Telalovic: Unsere Mannschaft ist insgesamt sehr jung, wir haben aber durchweg super Fußballer in unseren Reihen, die einen guten Job machen. Trotzdem haben wir uns in den ersten Saisonspielen vor allem in der jeweiligen Schlussphase etwas zu naiv angestellt. Man hat das eine oder andere Mal gemerkt, dass wir gegen sehr erfahrene Spieler antreten, die in den Schlussminuten vielleicht Situationen zu ihren Gunsten ausnutzen, in denen wir nicht mehr hellwach sind. Da fehlt uns vielleicht einfach noch ein Tick mehr Schlitzohrigkeit und Abgezocktheit. Im jüngsten Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf (3:0) konnten wir uns aber für unsere Leistung belohnen und haben den ersten Sieg der Saison eingefahren.
Fohlen-hautnah: Was ist denn generell möglich in dieser Saison?
Semir Telalovic: Intern haben wir uns klare Ziele gesetzt, die wir verfolgen. Ich glaube, wenn wir weiter hart an uns arbeiten, den eingeschlagenen Weg weiter verfolgen und konstant unsere Leistung abrufen, dann können wir in dieser Saison eine gute Rolle in der Regionalliga West spielen.
Fohlen-hautnah: Wie bist du denn bisher mit deinen Leistungen zufrieden?
Semir Telalovic: In der Vorbereitung habe ich nicht auf meiner gewohnten Position als Stürmer, sondern als ‚10er‘ gespielt. Daran musste ich mich erstmal gewöhnen. Mittlerweile komme ich wieder als Stürmer zum Einsatz und bin mit meiner bisherigen Leistung auch recht zufrieden. Als Angreifer hat man natürlich immer das oberste Ziel, Tore zu schießen und in den bisherigen vier Spielen habe ich dreimal selbst getroffen und ein weiteres Tor vorbereitet. Generell wünsche ich mir natürlich so viel Einsatzzeiten wie möglich zu bekommen und dabei das Bestmögliche für die Mannschaft rauszuholen.
Fohlen-hautnah: In diesem Zusammenhang. Was für ein Typ Angreifer bist du generell, was sind deine Stärken und Schwächen und in welchem System führst du dich am wohlsten?
Semir Telalovic: Ich bin grundsätzlich nicht auf ein System beschränkt, sondern fühle mich in verschiedenen Konstellationen wohl. Ich hole mir die Bälle gerne auch selbst ab, gehe auch mal alleine ins Dribbling, oder lasse mich fallen, um dann mit Tempo in die Tiefe zu kommen. Ich würde sagen, dass ich ein variabler Spieler bin, weil ich in der Vergangenheit schon auf verschiedenen Positionen in der Offensive gespielt habe. Auf der ‚Neun‘ helfen mir auch meine Körpergröße und meine physische Stärke, sodass ich mein Spiel deutlich variabler gestalten kann.
Fohlen-hautnah: Gibt es auch einen Stürmer, auf den du schaust und/oder den du als Vorbild hast?
Semir Telalovic: Karim Benzema von Real Madrid. Er lässt sich auch immer mal wieder fallen und sucht sich seine Räume. Das ist auch mein Spiel.
Fohlen-hautnah: Musst du dich eigentlich manchmal kneifen, was bisher alles passiert ist? Immerhin hast du letztes Jahr um die Zeit noch in der Verbandliga gespielt…
Semir Telalovic: (lacht). Am Anfang musste ich mich schon kneifen. Ich habe aber bislang ja noch nichts erreicht, ich will noch mehr und dafür gebe ich jeden Tag alles. Ich denke, dass man immer auch fest an sich glauben muss. Wohin das alles dann führt, wird man sehen.
Fohlen-hautnah: Du hast nicht, wie andere Spieler in deinem Alter, in einem Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) gespielt. Dennoch hast du dich bis hierhin hochgearbeitet und entwickelt. Erkläre uns dein ‚Erfolgsrezept‘ und gab es nicht schon vorher die Möglichkeit, in ein NLZ zu wechseln?
Semir Telalovic: Diese Möglichkeit hatte ich tatsächlich nicht. Ich muss dazu sagen, dass ich in meiner frühen Jugend Wachstumsprobleme hatte und sehr schmächtig war. Ich denke, dadurch bin ich einfach auch nicht so aufgefallen. Ich habe mich erst relativ spät entwickelt. Aber ich habe hart an mir gearbeitet, um dann auch auf ein solches Level zu kommen.
Fohlen-hautnah: Gibt es eigentlich Unterschiede zwischen der Regionalliga in Bayern und der West?
Semir Telalovic: Da gibt es deutliche Unterschiede. Ich behaupte, dass die Regionalliga West die stärkste 4. Liga in Deutschland ist. Wenn man sieht, was da für Mannschaften spielen, dann ist das schon eine ganz andere Präsenz und Stärke als in den anderen Staffeln. Und auch die Stimmung, gerade bei den Traditionsklubs wie Preußen Münster und Rot-Weiß Oberhausen, ist außergewöhnlich. Auch der Fußball ist deutlich schneller und robuster.
Fohlen-hautnah: Du hast auch einen Instagram-Account und bist dort relativ aktiv. Wie wichtig sind dir generell die Social-Media-Kanäle?
Semir Telalovic: Instagram ist der einzige Kanal, auf dem ich aktiv bin. Ich habe jetzt natürlich noch nicht den Status eines Profis, aber ich glaube schon, dass man durch die Sozialen Netzwerke ein bisschen Präsenz zeigen und die Fans informieren kann. Der Typ bin ich dann schon.
Fohlen-hautnah: Dein Traum dürfte es sicherlich sein, den Sprung zu den Profis zu schaffen. Dazu gehört einiges. Wie schätzt du dahingehend deine Chancen ein und gab es schon dahingehend einen Austausch oder ein Signal, dass du mal unter Daniel Farke deine Visitenkarte abgeben darfst?
Semir Telalovic: Grundsätzlich kann es im Fußball immer schnell gehen und jeden Tag passieren, dass man seine Chance, sich bei den Profis zu zeigen, bekommt. Darauf will ich vorbereitet sein, indem ich jeden Tag hart arbeite. Irgendwann muss man sich dann aber natürlich auch Gedanken darüber machen, wie es weitergeht, wenn es nicht klappen sollte.
Fohlen-hautnah: Es wird Borussia-Fans geben, die dich noch nicht tiefgründig kennen. Wenn du ihnen mal sagst und beschreibst, wer du bist und was du machst – auf und neben dem Platz…
Semir Telalovic: Ursprünglich komme ich aus Ulm und mein Traum war es immer schon, Fußballer zu werden. Ich habe mich von ganz unten bis zu Borussia hochgearbeitet. In der Jugend habe ich in fast allen Ligen gespielt und darf nun bei Borussia unter Top-Bedingungen arbeiten. Privat bin ich ein ganz normaler junger Mann und unternehme viel mit meinen Mitspielern. Das hilft mir auch dabei, die Stadt und die Umgebung noch besser kennenzulernen. Ich bin ein Mensch, der gerne etwas unternimmt und gerne unter Leuten ist. Ich versuche auch, so viel wie möglich von NRW kennenzulernen.
Fohlen-hautnah: Wir gehen mal davon aus, dass du dich aktuell voll auf den Fußball konzentrierst. Wie lautet denn dein Plan B beziehungsweise was würdest du machen wollen, wenn es nicht klappen sollte?
Semir Telalovic: Bevor ich meinen Vertrag bei Borussia unterschrieben habe, habe ich meine Ausbildung als Elektroniker für Automatisierungstechnik erfolgreich abgeschlossen. Mir war es wichtig, dass ich eine abgeschlossene Berufsausbildung in der Tasche habe. Danach war für mich klar, dass ich mich erst einmal voll auf den Fußball konzentrieren möchte. Was irgendwann einmal nach der Karriere ist, darüber mache ich mir Gedanken, wenn es soweit ist. Ich würde generell aber schon gerne im Fußball bleiben.
Fohlen-hautnah: Auch wenn eine Nationalmannschaft natürlich noch sehr weit weg ist, ist es sicherlich einer deiner Träume. Du hast auch die Staatsbürgerschaft von Bosnien-Herzegowina. Gab es generell schon mal losen Kontakt mit dem Verband aus Bosnien-Herzegowina?
Semir Telalovic: Meine Eltern kommen ursprünglich aus Bosnien und sind dann nach Deutschland gekommen. Kontakt zum bosnischen Verband gab es bisher aber nicht.
Fohlen-hautnah: Wenn du drei Wünsche frei hättest…
Semir Telalovic: Dann würde ich mir vor allem Gesundheit für meine Familie und mich wünschen, die große Liebe zu finden (lacht) und sportlich so erfolgreich wie möglich zu sein.
Fohlen-hautnah: Welche Schlagzeile möchtest du am Ende dieser Saison lesen?
Semir Telalovic: Borussias U23 hat sich in der abgelaufenen Saison sensationell präsentiert und daraus resultierend haben gleich mehrere Spieler den Sprung zu den Profis geschafft.