Ex-Borusse Michael Wentzel spielt nun in seinem Geburtsland Amerika für St. Louis City SC. Foto: Dirk Päffgen
Michael Wentzel schnürte von 2018 bis 2022 seine Fußballschuhe für Borussia Mönchengladbach. Vor allem sein Tor gegen den FC Bayern München in der Sommer- Vorbereitung 2021 ist aus dieser Zeit hängen geblieben. Über Rot-Weiß Oberhausen wechselte der Abwehrmann im Januar 2023 in die USA zum neu gegründeten Major League Soccer (MLS)-Klub St. Louis City SC. Im Interview spricht der 21-Jährige über sein erstes Jahr in Amerika, sein Debüt für die U23-Nationalmannschaft der USA, seine Ziele, seine Zeit bei Borussia und Rocco Reitz.
Fohlen-Hautnah: Michael, zunächst einmal vielen Dank, dass du dir die Zeit für uns nimmst. Wo erreichen wir dich gerade?
Michael Wentzel: Ich bin auf Heimaturlaub in Deutschland und verbringe die Zeit in Ettlingen bei meinen Eltern. Am 05. Januar 2024 fliege ich dann wieder zurück in die USA. Eine Woche später ist dann Trainingsauftakt. Meine Pause war ja länger, als ich das von Deutschland gewohnt bin. Insofern kribbelt es auch schon wieder und ich freue mich, wenn es wieder losgeht.
Fohlen-Hautnah: Das Jahr 2023 neigt sich so langsam dem Ende entgegen. Auch für dich ein Jahr mit Veränderungen. Wie schaust du zurück und was bleibt hängen?
Michael Wentzel: Ich schaue positiv auf 2023 zurück. Der Wechsel im Januar war relativ spontan. Als sich diese Möglichkeit ergeben hat, habe ich nicht viel nachgedacht, weil ich schon große Lust hatte, in den USA bei einem neuen MLS-Verein dabei zu sein und mitzuerleben, wie er sich entwickelt. Das ist eine Chance, die man vielleicht einmal im Leben bekommt. Es ist schon etwas Besonderes wenn man sieht, wie eine ganze Stadt sich auf einen neuen Verein, der versucht, eine neue Geschichte zu schreiben, freut. Meine Zeit in Oberhausen war für mich auch sehr lehrreich. Ich habe bei RWO zwar nur ein halbes Jahr gespielt, aber ich habe dort auch viel gelernt und mitgenommen. Ich möchte diese Zeit nicht missen. Ich habe jetzt aber das Gefühl, dass ich in den USA meine Karriere angeschoben habe. Ich bin an einem sehr schönen Ort und hatte im letzten Jahr die meiste Spielzeit der gesamten Liga. Auch daran, dass man 3.500 Kilometer zu einem Auswärtsspiel fliegt und dann zwei Tage später bei 40 Grad zuhause wieder spielt, habe ich mich gewöhnt. Die Saison war schon kräftezehrend, aber ich habe das gut hinbekommen. Von daher fühle ich mich jetzt umso besser vorbereitet für die neue Saison, weil ich eben auch die Abläufe und die Art und Weise des Fußballspielens kenne. Am Anfang war das schon eine Umstellung. Ich muss auf einmal als letzter Mann zehn Meter vor der Mittellinie verteidigen. Zudem pressen wir komplett. Das war für mich zunächst ungewohnt. Mittlerweile freue ich mich, wenn ich nach vorne verteidigen kann. Unter dem Strich war es ein schönes und erfolgreiches Jahr 2023.
Fohlen-Hautnah: 2021 hast du im Interview, angesprochen auf einen Weg in die USA, folgendes gesagt: »Ich habe das Ziel, in Deutschland Fußball-Profi zu werden und werde alles dafür tun, dieses Ziel zu erreichen. Grundsätzlich gibt es in den USA aber tolle Möglichkeiten, den Sport und ein Studium zu kombinieren. Auch aus der U19 haben zuletzt immer mal wieder Spieler diesen Schritt gewagt, um sich in Amerika fußballerisch weiterzuentwickeln und zu studieren. Für mich könnte das vielleicht ein Plan B sein.« Plan B ist dann im Januar 2023 zu Plan A geworden…
Michael Wentzel: Im Winter 2022 ergab sich die Möglichkeit zum Wechsel in die USA. Ich muss ehrlich sagen, dass ich es vorher nie für möglich gehalten habe, dass ich schon in so jungem Alter nach Amerika gehe. Denn es ist ja oft so, dass man dann Sport und Studium verbindet. Natürlich ist das auch eine tolle Möglichkeit und Kombination, aber das war für mich eben nur Plan B. Plan A war für mich immer Fußballprofi zu werden. Und das auch ohne diese Kombination in den USA. Wie du schon gesagt hast. Ich hatte immer den Blick auf Deutschland gerichtet und hatte das nie wirklich für möglich gehalten, frühzeitig nach Amerika zu wechseln. Wahrscheinlich ist es aber auch was, was man als junger Spieler lernen muss. Man kann gerade im Fußball nicht wirklich etwas planen. Als sich dann die Möglichkeit mit dem ‚Projekt St. Louis’ ergab, habe ich mich dafür entschieden. Bradley Carnell hat sowohl für den Karlsruher SC und Borussia gespielt. Genau die Klubs, für die ich auch gespielt habe. Das sind dann so Dinge, wo ich gesagt habe, das hört sich cool an.
Fohlen-Hautnah: Wie kam es denn überhaupt zu diesem Wechsel?
Michael Wentzel: Mein Berater stand schon länger mit Lutz Pfannenstiel in Kontakt. Für einen Klub aus Amerika ist mein Profil gerade insofern interessant, weil ich eben in Amerika geboren wurde und somit keinen Ausländer-Platz belegen würde. Zudem habe ich in Deutschland alle Mannschaften in Nachwuchsleistungszentren durchlaufen. Lutz Pfannenstiel hat dann Spiele von mir geschaut und dann gesagt, dass er mich gerne verpflichten würde. Ich habe dann, ohne dass ich zuvor mal hingeflogen bin, zugesagt. Es war mehr oder weniger aus dem Bauch heraus, weil ich nach den Gesprächen mit meinem Berater und Lutz Pfannenstiel einfach ein gutes Gefühl hatte. Bereut habe ich die Entscheidung bisher keine Sekunde. Ich habe das Gefühl, dass ich sehr wertgeschätzt werde. Ich schätze die Menschen im Klub ebenso wert und kann sagen, dass ich aktuell zu 100 Prozent am richtigen Ort bin.
Fohlen-Hautnah: Wie hat Lutz Pfannenstiel dir den Wechsel schmackhaft gemacht und was für eine Perspektive hat man dir gegeben?
Michael Wentzel: In den Gesprächen hat er mir einen sehr guten Weg aufgezeigt. Das erste Jahr sollte ich mich in der zweiten Mannschaft zeigen mit der Perspektive, auf lange Sicht den Sprung in die erste Mannschaft zu schaffen. Diese Chance hat er mir klar aufgezeigt, wenn ich mich entsprechend präsentiere. Ich musste mir schon immer Dinge erarbeiten. Davor hatte ich nie Angst sondern habe es als Chance und Möglichkeit gesehen. Bisher kann ich sagen, hat Lutz all das eingehalten, was er mir damals gesagt hat. Wir haben ein gutes Verhältnis und ich bin wirklich auch erstaunt von seinem Weg. Er hat als Profi auf allen Kontinenten der Welt gespielt, sehr viel erlebt und sehr viel Erfahrung gesammelt. Wenn so eine Persönlichkeit einem dann einen Weg aufzeigt, dann hört man natürlich doppelt gut zu. Deswegen habe ich mich für diesen Weg entschieden. Und jetzt beginnt im neuen Jahr der nächste Schritt. Darauf freue ich mich sehr.
Fohlen-Hautnah: Wie verliefen denn die Gespräche mit Bradley Carnell?
Michael Wentzel: Wir haben uns natürlich auch über unsere Ex-Klubs Karlsruher SC und Borussia Mönchengladbach unterhalten. Beim ersten Training hat er den Jungs dann auch direkt erzählt, dass da jetzt ein weiterer Ex-Borusse dabei ist (lacht). Als kleiner Junge hatte ich mit meinem Vater eine Dauerkarte beim KSC. Da habe ich Bradley als Linksverteidiger schon die Linie rauf und runter laufen sehen. Das ist schon eine schöne Geschichte. Genau diese Art und Weise verlanget er auch jetzt als Trainer. Ich bin auch von ihm als Trainer sehr überzeugt. Er hat in der ersten Saison bei einem ganz neuen Verein schon eine Identität geschaffen. Er hat die Mannschaft in der ‚Regular Season‘ direkt auf Platz eins geführt. Das ist schon außergewöhnlich. Er ist auch noch extrem fit. Wenn er im Training mitmischt dann sieht man, dass er lange als Profi in der Bundesliga gespielt hat.
Fohlen-Hautnah: Du lebst nun seit fast einem Jahr in den USA. Wie gut hast du dich mittlerweile auch im Klub eingelebt und an was hast du dich erstmal wieder gewöhnen müssen, auch wenn du das Land kennst?
Michael Wentzel: Amerika war jetzt kein Neuland für mich, weil ich dort öfters mit meinen Eltern in Urlaub war. Aber es ist natürlich schon etwas anderes, dort zu leben. Aber ich habe mich innerhalb kürzester Zeit eingelebt und fühle mich sehr wohl. Ich kenne mich auch im Verein schon gut aus und kenne auch bereits alle Spieler. Zudem habe ich die Philosophie des Klubs verinnerlicht. Es macht richtig Spaß, jeden Tag zum Training zu gehen.
Fohlen-Hautnah: Bist du alleine in die USA gegangen?
Michael Wentzel: Genau. Ich wohne alleine in St. Louis, wo ich in einem typisch amerikanischen Apartment-Komplex eine schöne Wohnung gefunden habe. Ich fühle mich dort sehr wohl. Meine Familie war auch schon oft zu Besuch, was einem natürlich alles noch einfacher macht.
Fohlen-Hautnah: Wie läuft es denn mit der Verständigung innerhalb der Mannschaft/des Klubs?
Michael Wentzel: Da es im Klub und in der Mannschaft auch einige Verantwortliche und Spieler gibt, die gut deutsch sprechen, weil sie auch in der Bundesliga gespielt haben, kann ich in den USA noch sehr viel deutsch sprechen. Ansonsten spreche ich perfekt englisch und habe da keine Probleme.
Fohlen-Hautnah: Sportlich lief es für dich bisher auch hervorragend. Du bist in deiner Mannschaft Kapitän, hast alle Spiele absolviert. Zudem hast du für die U23-Nationalmannschaft der USA drei Spiele gemacht. Du dürfest bisher also zufrieden sein…
Michael Wentzel: Absolut. Ich finde aber, dass es zwischen zufrieden, aber trotzdem hungrig sein, ein schmaler Grad ist, um neues zu erreichen. Aber man muss sich am Ende des Jahres schon zurückerinnern, was war. Grundsätzlich lief das erste Jahr schon gut und ich bin froh, dass es so gelaufen ist. Für mich war es keine große Umgewöhnung und deshalb konnte ich auch direkt versuchen, meine Qualitäten als Führungsspieler auf den Platz zu bringen und wurde sofort zum Kapitän ernannt. Ob ich jetzt aber die Binde am Arm trage oder nicht. Das macht jetzt keinen Unterschied, wie ich auf den Platz gehe und spiele. Ich versuche immer meine Leistung zu bringen. In der Nationalmannschaft war ich einer der wenigen, die noch keinen MLS-Einsatz hatten. Ich habe mich in der Mannschaft aber sehr wohlgefühlt und die Einsätze genossen. Die Mannschaft war außergewöhnlich vom Zusammenhalt her. Es war für mich eine Ehre, für Amerika zu spielen. Ich bin da geboren und fühle mich auch als solcher. Ich fühle mich zwar auch als Deutscher, weil ich hier aufgewachsen bin, aber eben auch als Amerikaner. Deshalb war es für mich schon eine tolle Erfahrung und auch eine Auszeichnung für meine Arbeit in der Saison.
Fohlen-Hautnah: Was für ein Gefühl war es, als du das erste Mal die Nationalhymne der USA hast mitsingen dürfen?
Michael Wentzel: Das war schon etwas Besonderes. In Amerika ist es ja so, dass man vor jedem großen Sportereignis die Nationalhymne singt. Ich habe das schon öfter als Zuschauer erlebt und hatte immer Gänsehaut, weil ich das einfach schön finde. Wenn ein ganzes Stadion gemeinsam die Hymne singt, dann ist das etwas Besonderes. Und wenn man das dann noch als Spieler auf dem Platz miterlebt und die Flagge auf der Brust trägt, dann ist das natürlich nochmal eine Stufe höher. Das war für mich auf jeden Fall ein Gänsehautmoment.
Fohlen-Hautnah: Mit den USA bei Olympia 2024 in Paris teilzunehmen…
Michael Wentzel: … wäre für mich ein Traum!
Fohlen-Hautnah: Wie realistisch kann er denn werden?
Michael Wentzel: Vom Alter her ist es möglich. Bisher gibt es einen Olympia-Kader, der auch schon häufig zusammen trainiert hat. Da war ich noch nicht dabei. Es hängt ganz klar von meiner Saison ab und wie ich mich im nächsten Jahr zeige. Wenn ich eine gute Saison spiele, könnte ich vielleicht dabei sein. Aber daran denke ich jetzt nicht. Ich konzentriere mich auf mich und meine Leistung. Und dann schauen wir mal, ob ich in Paris dabei bin. Ich werde alles geben, dass ich dabei sein kann.
Fohlen-Hautnah: Was wäre denn, wenn auch der DFB auf die zukäme?
Michael Wentzel: Diese Frage bekomme ich in den USA auch oft gestellt (lacht). Auch das ist Zukunftsmusik. Ich bin stolz gewesen, für Amerika spielen zu dürfen und fühle mich auch als Amerikaner, werde aber meine deutschen Wurzeln auch nicht vergessen. Ich fühle mich auch Deutschland sehr verbunden. Wenn es irgendwann einmal so kommen sollte, dann hätte ich ein Luxus-Problem. Aber Stand jetzt spiele ich für Amerika und bin sehr zufrieden.
Fohlen-Hautnah: Wie ist das Niveau in der MLS Next Pro beziehungsweise mit welcher Liga in Deutschland ist sie zu vergleichen?
Michael Wentzel: Das ist kaum zu vergleichen. Es sind ja alles zweite Mannschaften. Wenn ich jetzt mit Borussia Mönchengladbach gegen Rot-Weiss Ahlen spiele, dann ist das vom Fußball her schon etwas anderes, als wenn wir jetzt mit Borussia gegen Schalke II spielen. Es sind ja alles zweite Mannschaften, die gespickt sind mit Spielern der 1. Mannschaft. In der letzten Saison hatten wir Spiele, bei denen acht Spieler aus der 1. Mannschaft in der Startelf standen. Das gibt es so in Deutschland eben nicht. Deswegen kann ich das jetzt nicht mit einer Liga vergleichen sondern würde es so vergleichen, dass du jedes Mal gegen eine zweite Mannschaft spielst. Es ist ein anderes System als in Deutschland.
Fohlen-Hautnah: Dein Trainer ist Bobby Murphy. Was ist er für ein Typ Trainer und in wie weit hat er dich schon weiterentwickelt?
Michael Wentzel: Ich komme mit ihm sehr gut zurecht. Er ist ein Trainer dem wichtig ist, dass eine Einheit auf dem Platz steht. Das hat er sehr gut hinbekommen. Es war für ihn auch nicht einfach, dass alles so zu managen, wenn eben zum Beispiel acht Spieler aus der 1. Mannschaft mit im Kader sind, die integriert werden müssen. Trotzdem eine Einheit zu sein, dass ist nicht einfach und hat er hervorragend geschafft. Er hat mir sehr viel Vertrauen gegeben und ich konnte mir dieses in Selbstbewusstsein umwandeln. Ich bin froh, ihn in meinem ersten Jahr als Trainer gehabt zu haben.
Fohlen-Hautnah: Wird eigentlich auf die 2. Mannschaft geschaut?
Michael Wentzel: Die Bindung zwischen 1. und 2. Mannschaft ist im Verein schon sehr groß. Es werden alle Spiele von uns angeschaut. Wir haben unsere Heimspiele auch immer im Stadion ausgetragen. Wir hatten auch sehr gute Zuschauerzahlen. Zwischenzeitlich hatten wir sogar 10.000 Zuschauer. Das war schon sehr besonders. Man kann das aber nicht auf alle 2. Mannschaften übertragen. Dadurch, dass wir ein neuer Verein sind, ist der Hype sehr groß. Die Zuschauer und die ganze Stadt freuen sich wirklich auf jedes Event. Deswegen habe ich schon gut auf mich aufmerksam machen können.
Fohlen-Hautnah: Hast du schonmal mit der 1. Mannschaft trainiert?
Michael Wentzel: In der letzten Saison sporadisch mal. Da hatte die 1. Mannschaft aber auch sechs Innenverteidiger. Deshalb haben sich da nicht so viele Möglichkeiten ergeben. In der kommenden Spielzeit ist die Situation dann etwas anders. In der Vorbereitung, die am 13. Januar beginnt, habe ich dann die Chance, mich täglich im Training bei Bradley Carnell zu zeigen und mich für Einsätze empfehlen. Am 15. Januar fliegen wir dann ins Trainingslager nach Florida. Darauf freue ich mich sehr und bin hochmotiviert.
Fohlen-Hautnah: Dein Ziel dürfte es dann sein, auf dein erstes MLS-Spiel hinzuarbeiten…
Michael Wentzel: Absolut. Ich habe noch keinen Vertrag für die 1. Mannschaft unterschrieben, aber da bin ich ehrlich gesagt entspannt. Ich muss mich jetzt gut im Training zeigen und dann wird alles andere von alleine kommen. Mein Ziel ist es auf jeden Fall, im neuen Jahr meine ersten MLS-Spiele zu machen. Um das erreichen zu können, muss ich alles in die Waagschale werfen und vor allem auch fit ankommen. Damit das der Fall ist, trainiere ich auch im Urlaub in Deutschland hart.
Fohlen-Hautnah: Kommen wir nochmal zu deinem Ex-Klub Borussia Mönchengladbach. Vor allem mit deinem Tor im Testspiel gegen den FC Bayern München wirst du dort verbunden. Das wird sicherlich noch präsent bei dir sein. Wirst du oft darauf angesprochen?
Michael Wentzel: Ich habe jüngst im Urlaub bei meinem Heimatverein, dem SSV Ettlingen, einen Tag lang die Bambini-Mannschaft trainiert. Die allererste Frage der kleinen Jungs war, wie denn das Tor gegen die Bayern so war (lacht). Also ich werde oft auf dieses Tor angesprochen. Das war ein schöner Moment, den ich nie vergessen werde. Das erste Mal in der Allianz-Arena zu spielen und dann gleich ein Tor zu schießen, war etwas Besonderes. Auch gegen Spieler wie Serge Gnabry zu spielen, die man sonst nur im Fernsehen sieht, war schon eine tolle Erfahrung.
Fohlen-Hautnah: Zu einem Profivertrag hat es bei Borussia nicht gereicht. Woran lag das deiner Meinung nach?
Michael Wentzel: Die Wunschvorstellung, bei einem Verein von der Jugend bis in den Profibereich durchzustarten, ist natürlich immer da. Aber man muss auch realistisch sein. Dazu gehören viele Dinge, die passen und zusammenkommen müssen. Natürlich hat das auch immer mit Leistung zu tun. Damals war ich einfach nicht gut genug, um Matthias Ginter, Nico Elvedi oder auch Dennis Zakaria, der ab und an Innenverteidiger gespeilt hat, zu verdrängen. Da muss man sich auch immer realistisch einschätzen können. Wenn man realistisch ist, kann man sich viele Dinge selbst erklären. Bei Borussia war es so, dass es für mich eine super Zeit war, ich aber das Gefühl hatte, zu einem anderen Verein gehen zu wollen. Es gibt eben Situationen, in denen alles nicht direkt auf Anhieb klappt. Durchhaltevermögen ist dann das A und O, wenn man ganz nach oben kommen möchte.
Fohlen-Hautnah: Wie schaust du denn generell auf die Zeit bei Borussia zurück und hast du noch Kontakt zum Klub/zu ehemaligen Teamkollegen?
Michael Wentzel: Ich war vor ein paar Wochen in Mönchengladbach und habe auch Familie Lintjens besucht. Ich bin in Gladbach noch eng verwurzelt und habe noch zu einigen Spielern, wie zum Beispiel Mika Schroers, Kontakt. Mit ihm habe ich mir im Internat ein Zimmer geteilt. Ich schaue sehr gerne auf die Zeit bei Borussia zurück. Es war schon etwas Besonderes, im Internat zu wohnen und jeden Tag das machen zu können, was man am meisten liebt. Das dann unter Top-Bedingungen war schon schön.
Fohlen-Hautnah: Du hast auch mit Rocco Reitz zusammengespielt, der in den letzten Wochen für Furore gesorgt hat. War das damals schon abzusehen und hättest du ihm eine solche Entwicklung zugetraut?
Michael Wentzel: Ich verfolge ihn schon genau. Das ist ja aktuell auch nicht so schwer, weil er für viele positive Schlagzeilen sorgt. Es ist schön zu sehen und es freut mich für ihn, dass er sich zurzeit so richtig durchsetzt. Man merkt, dass er richtig viel Selbstvertrauen und Selbstverständnis hat, in jedem Spiel seine Leistung abzurufen. Ich habe schon immer viel von Rocco gehalten. Dass er jetzt auf einmal anfängt, so viele Tore zu schießen, hätte ich nicht gedacht (lacht). Es ist einfach schön zu sehen. Er ist ein Gladbacher Junge und hat es sich verdient. Dafür hat er auch hart gearbeitet, das muss man auch sagen. Er war zweimal ausgeliehen, ehe er jetzt so einschlägt. Ich denke, das hast ihm gutgetan.
Fohlen-Hautnah: Du stehst noch bis 2024 unter Vertrag mit der Option auf ein weiteres Jahr. Kannst du dir auch eine Rückkehr nach Europa und Deutschland vorstellen und bei welchem Klub müsstet du richtig nachdenken, um vorzeitig zurückkommen, wenn ein entsprechendes Angebot käme?
Michael Wentzel: Ich kann mir auf jeden Fall vorstellen, irgendwann einmal nach Deutschland zurückzukehren. Mal im Borussia-Park für Borussia aufzulaufen, wäre natürlich etwas Besonderes. Aber das ist jetzt Träumerei. Zunächst ist es mein Ziel, im kommenden Jahr für St. Louis meine ersten MLS-Spiele zu machen und sich richtig zu etablieren. Ich glaube, dass würde mir natürlich auch helfen, auch von deutschen Vereinen wieder gesehen zu werden. An sowas denke ich aktuell aber nicht. Wie gesagt. Ich habe in meiner jungen Karriere gelernt, dass man viele Dinge nicht planen kann. Ziele muss man sich trotzdem setzen. Und wenn man die dann auch greifen kann, und das Gefühl habe ich, dann ist das sehr hilfreich.
Fohlen-Hautnah: Du bist noch ein sehr junger Spieler und hast deine komplette Karriere noch vor dir. Was hast du dir vorgenommen und was möchtest du noch erreichen?
Michael Wentzel: Ich habe das klare Ziel, Profi zu werden und im neuen Jahr meine ersten MLS-Spiele zu machen. Die Liga erlebt gerade einen unheimlichen Hype, das Interesse am Fußball ist groß. Da muss man sich nur Inter Miami anschauen, wo Jodi Alba, Messi, Sergio Busquets und Luis Suárez spielen. Die Vorstellung, in der neuen Saison gegen eine solche Mannschaft spielen zu können, motiviert natürlich ungemein. Ich freue mich einfach, dass ich in St. Louis so tolle Bedingungen habe und jeden Tag professionell arbeiten kann. Ich bin selbstbewusst genug um zu sagen, dass ich alles mitbringe, um auf höchstem Niveau spielen zu können. Dafür werde ich alles geben und viel arbeiten. Was dann am Ende dabei rauskommt, wird man sehen. Ich gebe mein Bestes. Alles andere kann ich nicht beeinflussen.